taz.de -- Deutsche Seenotretter im Mittelmeer: Italien beschlagnahmt NGO-Schiff

Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmt ein Schiff von „Jugend rettet“. Das Parlament in Rom stimmte indes für einen Militäreinsatz vor Libyen.
Bild: Ein umgebauter Fischkutter dient der Hilfsorganisation als Rettungsschiff

BERLIN taz | Italien hat den Druck auf die Seenotrettungs-NGOs im Mittelmeer verstärkt: Das Schiff „Iuventa“ der deutschen Initiative „Jugend Rettet“ wurde am Mittwoch von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt.

Am Dienstag hatte die Rettungsleitstelle MRCC in Rom die „Iuventa“ nach Lampedusa zurückbeordert. An Bord befanden sich zwei gerettete Syrer. Die „Iuventa“ erreichte, eskortiert von der Küstenwache, den Hafen der Insel um 1 Uhr früh. Am Mittwochmorgen begann die Polizei, die 15-köpfige, überwiegend aus Deutschen bestehende Crew zu verhören. Später präsentierte sie einen Durchsuchungsbefehl.

Am Nachmittag meldeten dann italienische Medien, die Staatsanwaltschaft von Trapani auf Sizilien habe die Iuventa beschlagnahmt. Das sei eine „präventive Maßnahme“. Die Besatzung des Schiffs „Iuventa“ stehe im Verdacht der Begünstigung illegaler Einwanderung.

„Jugend Rettet“-Sprecher Titus Molkenbur sagte der taz, die Behörden hätten sich auf ein seit 2016 laufendes Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wegen Beihilfe zur illegalen Einreise berufen. Die „Iuventa“ soll am Donnerstag zu weiteren Ermittlungen von Lampedusa nach Sizilien überführt werden. Die Crew sei auf freiem Fuß, so Molkenbur.

Erst am Dienstag hatte es ein Treffen zwischen den Rettungs-NGOs und dem italienischen Innenministerium gegeben. Dabei hatten sich fünf der acht NGOs geweigert, einen Verhaltenskodex der italienischen Regierung zu unterschreiben. Eine davon war „Jugend Rettet“. Die NGO hatte sich vor allem deshalb geweigert, den Kodex zu unterzeichnen, weil er sie dazu verpflichten würde, Gerettete mit ihrem eigenen Schiff nach Italien zu bringen, statt sie an größere Schiffe zu übergeben.

Unterdessen stimmten am Mittwoch beide Kammern des italienischen Parlaments für einen Militäreinsatz in libyschen Hoheitsgewässern. Nach einer entsprechenden Bitte der libyschen Regierung in Tripolis soll Italiens Marine Schlepper bekämpfen und Flüchtlinge abfangen und nach Libyen zurückbringen.

2 Aug 2017

AUTOREN

Christian Jakob

TAGS

Schwerpunkt Flucht
Mittelmeer
Italien
Jugend Rettet e.V.
Drogenhilfe
Libyen
Ärzte ohne Grenzen
Jugend Rettet e.V.
Italien
Schwerpunkt Flucht
Jugend Rettet e.V.
Italien
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Flucht
Identitäre Bewegung
Schwerpunkt Flucht

ARTIKEL ZUM THEMA

taz-Adventskalender (2): „Es herrscht eine ziemliche Ignoranz“

Die taz präsentiert in ihrem Adventskalender BerlinerInnen, die für etwas brennen. Hinter Türchen Nummer zwei: Taina Gärtner von Lampedusa Berlin.

Blockierte Seenotrettung vor Libyen: Weniger Flüchtlinge – und Tote

Libyen geht hart gegen Flüchtlinge und Seenotretter im Mittelmeer vor. Nun kommen weniger – doch die Verhältnisse an Land seien katastrophal, sagt ein Helfer.

Seenotrettung im Mittelmeer gestoppt: Libyen schüchtert NGOs ein

Die libysche Küstenwache droht auch Seenotrettern, die in internationalen Gewässern arbeiten. Nun haben zwei Organisationen ihre Einsätze vorerst eingestellt.

Italien ermittelt gegen Priester: Angeblich Beihilfe zur Schlepperei

Mussie Zerai unterstützt die Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer. Sein Engagement wird ihm nun von italienischen Behörden als Schlepperei ausgelegt.

Der Kampf gegen Seenot und Behörden: Flüchtlingsretter sitzen vor Malta fest

Weil Flüchtlingsretter den wohl völkerrechtswidrigen Kodex Italiens nicht unterzeichnen wollen, wird ihnen jetzt das Anlegen auf Lampedusa verboten.

Italiens Marine vor Libyen: Diplomaten vergessen Bürgerkrieg

Der italienische Marineeinsatz auf Wunsch der westlibyschen Regierung heizt den Krieg an. Damit wird auch das Flüchtlingselend vergrößert.

Festgesetztes Rettungsschiff in Italien: Indizien gegen die Seenotretter

Die italienische Staatsanwaltschaft wirft „Jugend rettet“ vor, sich mit Schleppern abgesprochen haben. Fotos und Abhörprotokolle sollen das belegen.

Bundestagsgutachten über Seenotretter: Italiens Kodex ist völkerrechtswidrig

Ein neues Bundestagsgutachten weist darauf hin, dass Menschen in Seenot gerettet werden müssen. Italien dürfe den Zugang zu Nothäfen nicht einfach verweigern.

Kommentar Flüchtlingsretter in Italien: Wer hilft, wird plattgemacht

Die deutsche NGO „Jugend rettet“ wollte nicht mit der italienischen Justiz kooperieren. Jetzt wurde ihr Schiff beschlagnahmt. Zufall ist das nicht.

Flüchtlingsrettung auf dem Mittelmeer: NGOs lehnen Italiens Kodex ab

Rom will mehrere Seenotretter mit einem Regelkatalog ausbremsen. Die Organisationen weigern sich – der Kodex könnte die Zahl der Toten erhöhen.

Identitäre scheitern im Mittelmeer: Rechte in Seenot

Ein von Identitären gechartertes Schiff saß auf Zypern fest. Die zunächst festgenommenen Crewmitglieder sind inzwischen wieder freigelassen.

EU-Flüchtlingsrettung verlängert: Anhaltende Seenot

Die EU verlängert den Einsatz zur Rettung von Flüchtlingen. Auch Italien knickt ein – und gibt den Druck an die NGOs weiter.