taz.de -- Die Wochenvorschau für Berlin: Jetzt geht’s um die Wahl

Der Wahlkampf beginnt – tatsächlich immer noch. Es werden Kitas besucht, man denkt sich „Berlin Salons“ aus und die Zukunft wird programmiert.
Bild: „Spahn kann man sich spahn“: Posterbo der CDU Jens Spahn

Achtung: Der folgende Text enthält viele Namen von PolitikerInnen. Sollte als Nebenwirkung Schläfrigkeit eintreten, raten wir allen politisch denkenden LeserInnen dringend, übers Auswandern nachzudenken!

Zuletzt musste man meinen, der Bundestagswahlkampf werde nur von einem Menschen bestritten. Jens Spahn, smarter Posterboy der CDU mit offenbar reaktionärem Menschenbild, drosch auf alles ein, was ihm bei seinen Partytouren durchs Berliner Nachtleben unweigerlich begegnete: Menschen mit Bärten, bisweilen immer noch Hipster genannt, oder Kellner, die vor allem des Englischen mächtig sind.

Das fand er – um es auf einen Punkt zu bringen – alles scheiße, weil undeutsch. Mangels Alternativen nahmen einige Medien die leicht verkrampften Vorlagen auf; im Netz gipfelte die Kritik im Slogan: „Spahn kann man sich spahn“. So weit, so vernachlässigbar. Wenn’s ihm in Berlin nicht passt, kann Spahn ja einfach woanders feiern gehen.

Diese Woche wird die Auswahl an halb steilen Thesen und erwartbarer Kritik absehbar umfassender. Der Wahlkampf beginnt – tatsächlich noch. Montagmorgen, 9 Uhr, geht’s los: Bundesfamilienministerin Katarina Barley (SPD) besucht mit Bildungssenatorin und Parteigenossin Sandra Scheeres die Kita Schneckenhaus. Das gibt hübsche Bilder – Kinder und Tiere gehen ja immer – und sicher ein paar Thesen wie „Bildungspolitik darf sich nicht im Schneckenhaus verstecken, sondern muss Chefinnensache sein“.

Berlin ist nicht London

Abends kommt dann Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz vorbei und diskutiert mit seinem Neuköllner Genossen Fritz Felgentreu über bezahlbares Wohnen im Kiez. Möglicher Konsens: „Berlin darf in Sachen Wohnungsmarkt nicht London oder Paris werden.“

Sicher auch, um der SPD eins auszuwischen, hat sich die CDU – als vermeintliche moderne, tolerante Großstadtpartei – den „Berlin Salon“ ausgedacht. Dabei soll „Stadtpolitik über den Tellerrand“ (ein etwas schiefes Bild) gedacht werden. Zum Auftakt eine biedere Altherrenrunde: Es treffen sich die ehemaligen Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) und Walter Momper (SPD), der Mann mit dem roten Schal. Mögliche Konsensthese: „Früher war auch im Schlechten alles besser!“

In die andere Richtung blickt Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), auch am Montag: „Wie programmieren wir die Zukunft?“ lautet ihre Leitfrage. Um das zu klären, hat sie den grünen Spitzenkandidaten Cem Özdemir und Robert Habeck, Schleswig-Holsteins Minister für Digitalisierung, eingeladen in den „Start-up-Hotspot“ Factory. „We need more innovation“ wäre sicher ein passendes Fazit.

In diesem Stil geht das die ganze Woche weiter und noch eine und noch eine und noch eine. Dann, am 24. September, ist Wahl. Und die Abstimmung über Tegel. Danach werden wir sehen, wer zu viel versprochen hat.

28 Aug 2017

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Bert Schulz

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