taz.de -- Zukunft des Berliner Olympiastadions: Schüssel zum Erfolg

Wenn am Samstag Berlin in die Bundesligasaison startet, wird auch wieder über Herthas Spielstätte diskutiert: Umbau, Neubau, Altbau?
Bild: Ist den Fußballern zu kalt: Berlins Olympiastadion, saniert für mehr als 200 Millionen Euro kurz vor der Fußball-WM

Das Mitleid von Jürgen Klopp wird bei Hertha in Erinnerung bleiben. Als der Bundesligist im Juli sein Jubiläumsspiel gegen Liverpool bestritt, schmerzte weniger die deutliche 0:3-Niederlage als vielmehr der irritierende Kommentar des Gästetrainers zum leeren Stadion. Dass zum 125. Geburtstag fast ein Drittel des Olympiastadions nicht besucht war, war dem Liverpool-Coach völlig unverständlich. „Ich würde mir wünschen, dass der tolle Weg, den der Verein geht, mehr wertgeschätzt wird“, so Klopp.

Ein Ex-BVB-Trainer fordert die Berliner auf, sich doch bitteschön mal ein bisschen mehr für Hertha zu interessieren – so weit ist es schon gekommen. Unangenehm für den selbsternannten Hauptstadtclub. Aber eine willkommene Schützenhilfe gegen das ungeliebte Olympiastadion.

Ein neues, eigenes Stadion ab 2025 muss her!, hatte Hertha ursprünglich mal ausgerufen, um mehr Publikum zu begeistern. In diesen ersten Augustwochen erscheint das unwahrscheinlicher denn je. Aus den Plänen ist ein politisches Geschacher geworden zwischen Hertha, dem Senat und den Leichtathleten, das an Konstruktivität verloren hat.

Vor allem Hertha irritierte zuletzt mit ständigen Positionswechseln zwischen Umbau und Neubau und machte sich verdächtig, vor allem eine kostengünstige Stadionverschönerung zu suchen. Angenehme Konstante in der Gemengelage bleiben die Leichtathleten: Sie sind vor allem dagegen. Denn würde das Olympiastadion für Hertha umgebaut, wie etwa Sportsenator Andreas Geisel (SPD) es vorschlug, würde die Laufbahn wegfallen und damit die Chance Berlins auf große Leichtathletik-Wettbewerbe. „Wir werden um diese Laufbahn kämpfen“, sagte Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), im Juli.

Der DLV fährt in seinem Kampf ums Olympiastadion nach anfänglicher Passivität jetzt große Geschütze auf, vom Protest durch Superstar Usain Bolt bis hin zu einem möglichen Volksentscheid. Die Option Umbau ist damit so gut wie blockiert.

Eine Leichtathletik-EM oder -WM nicht mehr ausrichten zu können oder das Internationale Stadionfest Berlin (Istaf) zu verlieren – immerhin zuschauerstärkster Leichtathletik-Wettbewerb der Welt –, kann Berlin sich nicht leisten. Der Jahn-Sportpark mit seiner 20.000-Plätze-Kapazität ist keine wirkliche Alternative. Und der Bau von neuen, absenkbaren Bahnen im Olympiastadion wäre zwar machbar, aber exorbitant teuer.

Um die anderen Optionen steht es kaum besser: Ludwigsfelde ist als Alternative quasi ausgeschieden, und auch der von Hertha vorgeschlagene Neubau hat empfindliche Kratzer bekommen. Nach RBB-Informationen soll es im Senat erhebliche Bedenken in Sachen Denkmalschutz und Machbarkeit geben. Außerdem sei der Platzbedarf wesentlich größer als von Hertha dargestellt. Übrig bleibt damit: nicht viel.

Weil Hertha massiv öffentlich gedrängt hat, steht der Senat allerdings unter Druck, irgendeine Art von Maßnahme zu ergreifen. Er hat aber wohl schon aus taktischen Gründen kein Interesse daran, dass das allzu schnell geschieht.

Berlin löst das Problem also auf Berliner Art: Mit einem gewissen ergebnislosen Aktivismus. Studien wurden in Auftrag gegeben, Arbeitsgruppen gebildet, Experten angehört, neue Studien konsultiert. Dabei wird sich eine ganze Weile lang sowieso nichts tun. Denn nicht zuletzt bewirbt sich Berlin für die Fußball-EM 2024, und die soll, wo auch sonst, im Olympiastadion stattfinden. Bis dahin kann an dem Stadion überhaupt nichts gebaut werden.

„Für die Option eines Umbaus bedeutet das, dass dieser erst nach 2024 stattfinden könnte“, sagte Geisel. Schlechte Aussichten für eine schnelle Lösung. Hertha selbst hält sich interessanterweise bedeckt. Für den Club ist die Debatte trotz des missglückten Ludwigsfelde-Schachzugs durchaus ein taktischer Erfolg. Der Verein hat das Thema öffentlich platziert und überlässt jetzt anderen die Diskussion.

Hertha hat zu laut gebrüllt, als dass der Senat seinen Erstligisten ganz ohne Zugeständnis lassen könnte, zumal angesichts der jüngsten Erfolge und der Rückkehr ins internationale Geschäft. Für Hertha wäre sowohl der Neubau als auch ein öffentlich mitfinanzierter Umbau ein guter Deal. Vielleicht kann der Verein mit einem Umbau sogar besser leben, muss man sich doch nicht um private Investoren für einen Neubau bemühen.

Ob eine komplizierte Umbau-Kompromisslösung tatsächlich der Sache des Publikumsmangels dient, darf man bei der aktuellen Klein-Klein-Debatte um verhängte Tribünen und abgesenkte Laufbahnen bezweifeln. Der vermeintlich große Neustart droht eher zu einer öffentlich finanzierten Stadionsanierung für Hertha zu werden.

Die Begeisterung der Berliner hält sich entsprechend in Grenzen. Kürzlich fragte eine vereinsunabhängige Studie nach den Präferenzen der Bürger zwischen Neubau, Umbau, unverändertem Olympiastadion oder Umzug nach Ludwigsfelde. Die mit 39 Prozent größte Gruppe sprach sich dafür aus, dass Hertha im Olympiastadion bleibt. Ohne Umbau, ohne alles.

Der harte Schlussstrich unter die festgefahrene Debatte freilich ist die unwahrscheinlichste Lösung von allen. Irgendetwas wird passieren, aber es wird – Aussicht bis jetzt: es wird langwierig und teuer.

Im Moment diskutiert Hertha – die am Samstag im Olympiastadium gegen Stuttgart spielt – hinter verschlossenen Türen mit dem Senat, und der Senat diskutiert mit den Leichtathleten. Eine Entscheidung, ob überhaupt umgebaut oder neu gebaut wird, soll es frühestens Ende 2018 geben.

17 Aug 2017

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Alina Schwermer

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