taz.de -- Wahlkampf in Österreich: Wohltaten für alle
Im Programm der SPÖ geht es vor allem um soziale Gerechtigkeit. Themen wie Zuwanderung und Asyl kommen nur am Rande vor.
Wien taz | Inhalte statt Luftblasen. Nach diesem Prinzip scheint die SPÖ in den Wahlkampf zu starten. Das Donnerstagnachmittag bei einem Bundesparteirat in Wien vorgestellte und abgesegnete Programm bietet allen ein bisschen und wird vom roten Faden Gerechtigkeit durchzogen. Da man dem Wahlvolk das Studium des 209 Seiten starken Konvoluts nicht zumuten will, werden einzelne Aussagen mit dem knackigen Spruch „Ich hol mir, was mir zusteht“ plakatiert.
Grundlage des Papiers ist der Plan A, den Österreichs Bundeskanzler Christian Kern im Januar präsentiert hat. Gewählt wird am 15. Oktober. Kern, der aus der Wirtschaft kommt, versucht darin die Interessen von Arbeitern und Arbeitgebern unter einen Hut zu bringen.
Bei einem Betriebsbesuch auf dem Gelände einer Wiener Elektrotechnik-Firma am Mittwoch versprach er den Unternehmen eine Entlastung im Ausmaß von 4,4 Milliarden Euro. Der Kampagneslogan gelte auch für sie: „Damit man sich etwas holen kann, was einem zusteht, muss es vorher geschaffen werden, und da brauchen wir ein Bündnis mit den Unternehmern.“ Nach deutschem Vorbild soll der Abfluss von Hochtechnologie durch ein staatliches Veto gegen den Verkauf strategischer Betriebe an ausländische Investoren eingeführt werden.
Das Programm verspricht eine Ansammlung von Wohltaten: von einer Lehrlingsentschädigung von 700 Euro über sonntäglichen Gratiseintritt in die Bundesmuseen bis zu einer 30-prozentigen Quote für heimische Kulturschaffende in den Medien. Den Arbeitern will die SPÖ gegenüber der Forderung der Wirtschaft nach der Flexibilisierung der Arbeitszeit bis zum Zwölfstundentag den Rücken stärken. Bei einem Gleitzeitmodell kann man sich aber bis zu zwölf Stunden täglich vorstellen. Mindestrenten sollen erhöht werden.
Vom Erfolg gelähmt
Unter ferner liefen werden Zuwanderung und Asyl abgehandelt. Das wahrscheinlich zentrale Wahlkampfthema ist von FPÖ und ÖVP besetzt. Außenminister und ÖVP-Chef Sebastian Kurz führt die Umfragen mit großem Vorsprung an. Die SPÖ, die mit der rechten FPÖ etwa zehn Punkte zurückliegt, scheint vom Erfolg des bald 31-Jährigen wie gelähmt.
Ein Richtungsstreit zwischen linkem und rechtem Flügel hat die Partei zusätzlich geschwächt. Vergangene Woche kam Kern auch sein Wahlkampfleiter abhanden. Während Sebastian Kurz diese Woche in Dalmatien urlaubt, will der Kanzler mit diesem Wahlkampfauftakt wieder die Themenführerschaft übernehmen.
Auch bei der Zusammenstellung der Kandidatenlisten geht man andere Wege als die ÖVP. Während Kurz mit der Nominierung von Prominenten für böses Blut bei alten Parteimitgliedern sorgt, setzt die SPÖ auf ihre Kader. Allerdings wird es in ihrer Fraktion etwa 50 Prozent Neulinge geben.
Die Opposition kommentiert den Neustart der SPÖ mit Häme. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl: „Das SPÖ-Wahlprogramm ist nur das uninspirierte Abfallprodukt nach einem verlorenen Jahr mit Kanzler Christian Kern.“
3 Aug 2017
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