taz.de -- Fidget-Spinner-Gate: Linksdrehen gegen Deutschland

Nach dem Handkreisel-Hype folgen nun Verschwörungstheorien: Alles linke Propaganda? Oder doch rechte Codes?
Bild: Spielende Kinder oder potenzielle Terrorist_innen? Die Grenzen verschwimmen

Der Diskurs über den Fidget Spinner, ein zum Trend gewordenes Zappeltherapie-Toy, bekommt immer wieder einen neuen Dreh. Das rotierende Spielzeug ist nicht nur deshalb allgegenwärtig, weil es sich als fester Bestandteil des öffentlichen Raums – Schule, U-Bahn oder Straße – etabliert hat, sondern auch, weil es ständig eine neue Nachrichtenmeldung wert ist.

Ein Anstoß kommt jüngst aus Russland. Dort wittern Behörden eine fiese Verschwörung hinter dem Gadget: Sie vermuten, dass es über manipulative Kräfte verfügt und Nutzer_innen empfänglicher für Inhalte politischer Oppositioneller macht. Den Verdacht begründet der TV-Sender Rossija 24 mit einem kugelsicheren Argument: Es sei wohl kein Zufall, dass die Kreisel auf Kundgebungen der Oppositionellen verkauft werden.

Kann eine_r natürlich so interpretieren. Es liegt aber auch nahe, dass diese Überschneidung deshalb stattfindet, weil die Fidget Spinner auf der Straße vertickt werden; einem Ort, an dem auch Kundgebungen – Überraschung – häufig stattfinden. Diese Tatsache kann eine_r natürlich ignorieren. Wer hinter dem Hype eine politische Agenda erkennen will, schafft es. So funktionieren Verschwörungstheorien eben.

Das perfekte Neonazi-Toy?

Wer das Spielzeug so kritisch betrachtet, kann jedoch nicht außer Acht lassen, dass es in seiner klassischen Form – wenn die drei Flügel also nicht einem Batman-Logo, Dollarzeichen oder anderen Variationen weichen – sehr stark an eine Triskele erinnert. Das Symbol mit den drei radialsymmetrischen Kreisen kommt zwar in sehr vielen Kulturen vor und steht unter anderem für Dreifaltigkeit, wird gegenwärtig aber vor allem von völkisch-nationalistischen Gruppen vereinnahmt. So nutzt es etwa das Neonazi-Netzwerk Blood & Honourals Logo. Als Abwandlung des Hakenkreuzes verwendete 1944 auch ein Teil der SS die Triskele.

Der Spinner baut also nicht nur Stress ab; er fügt sich auch in rechte Codes ein. Das perfekte Toy für Neonazis quasi. Diese Querverbindung hat nun auch die NPD gezogen. Unter dem peinlichen Slogan „Durchdrehen für Deutschland“ verkauft die braune Partei den „NPD Fingerkreisel“ neben anderem Schrott in ihrem Webshop. Aber natürlich nur als Trendspielzeug. Für den Fall, dass „der Schulunterricht mal wieder länger dauert“.

Jaja, ätzend dieser Schulunterricht, am schlimmsten sind Fächer wie Geschichte, wo die Lehrer_innen irgendwas von Nationalsozialismus und Holocaust labern. Dann lieber auf Durchzug stellen und ein bisschen mit dem Hakenkreuzkreisel spielen. Ob die NPD auf die Querverbindung gekommen ist, dass die Durchdrehrhetorik für ein Stimming-Toy ableistisch anmutet?

Gefahrenwarnungen

Vielleicht schafft ja als nächstes der Fidget Spinner mit verschärften Kanten seinen Durchbruch als NPD-Wurfstern. Solche als gefährlich eingestuften Merkmale weisen zumindest einige der vielen vom Zoll beschlagnahmten Kreisel auf. Andere beschlagnahmte Exemplare verfügen über leicht lösbare Kleinteile wie LED-Lichter. Viele Kinder landeten schon im Krankenhaus, weil sie diese verschluckt haben. Oder, weil sie ihre Finger im Getriebe eingeklemmt haben. Alleine im Mai wurden am Frankfurter Flughafen 35 Tonnen Fidget Spinner konfisziert.

Auch aus dem G20-Medienzentrum waren die Handkreisel verbannt. Begründung: Sie könnten zum Wurfgeschoss umfunktioniert werden.

Der russische Verbraucherschutz warnt vor diesen Gefahren. Er behauptet aber auch, die Kreisel verfügten über eine hypnotisierende Wirkung und hätten „einen negativen Effekt auf die Psyche“. Als verdächtig verstehen sie auch die „aggressive Vermarktung“ der Kreisel.

Das verführt eigentlich zum Protestkreiseln. Aber nicht nach rechts.

Lieber: Linksdrehen gegen Deutschland. Für antifaschistische Spinner_innen und solche, die es noch werden wollen.

20 Jul 2017

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Hengameh Yaghoobifarah

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