taz.de -- Trumps Tweets: Der stolpert nicht
Donald Trump beleidigt eine Moderatorin. Die Empörung ist groß. Doch wer glaubt, dass der US-Präsident über seine Tweets stürzen könnte, ist naiv.
Es war im Frühherbst 2016, als ein Video öffentlich wurde, in dem ein Präsidentschaftskandidat darüber redete, dass er sich bei Frauen alles erlauben könne. [1][„Grab them by the pussy“] und so.
Viele BeobachterInnen waren sich anschließend einig: Der wird’s nicht. Es war eine Mischung aus Überzeugung und Hoffnung.
Ein paar Wochen später wurde Donald Trump zum Präsidenten gewählt.
Und seitdem mischen sich immer wieder Überzeugung und Hoffnung, dass der Spuk nun bald vorbei sei. Texte mit den Sätzen „Republikaner wenden sich von Trump ab“ oder „… lassen Trump fallen“ finden sich seit Oktober auf [2][unzähligen] [3][Nachrichtenseiten]. Indizien werden zusammengeklaubt, Umfrageergebnisse zitiert. Der Tenor – zumindest in Deutschland – ist immer der gleiche: Dieser Präsident ist am Ende. Warum? Weil einer, der so was macht, doch am Ende sein muss. Oder?
Dabei müsste spätestens seit dem „Pussy“-Moment und der Folgenlosigkeit klar sein: Dieser Mann wird nicht über einen Tweet oder eine Beleidigung oder seine Verachtung gegenüber Frauen, illegalen Einwanderern oder Menschen, die ihre Kinder impfen lassen, stolpern. Und wenn ihn prominente Republikaner fallen lassen – na und? Die haben ihn eh nie getragen.
Das Ziel: die eigene Basis stärken
Nein. Trump ist noch lange nicht am Ende – zumindest nicht wegen irgendwelcher Tweets. Daran ändert auch sein jüngster Furor gegen die MSNBC-ModeratorInnen Mika Brzezinski und Joe Scarborough von „Morning Joe“ nichts. Scarborough [4][bezeichnete er schlicht als „verrückt“, Brzezinski als „strohdumm“] und ätzte, dass sie nach einer Schönheitsoperation im Gesicht [5][„schlimm geblutet“] habe.
Wenn Trump JournalistInnen angreift, zumal vom Feindsender MSNBC, ist das nichts anderes als die Stärkung seiner eigenen Basis. Die ist zwar nicht groß genug, um aus sich heraus Wahlen zu gewinnen, aber er braucht sie, wenn er wieder so eine Welle entfachen will wie 2016, als er mit der frenetischen Unterstützung seiner AnhängerInnen einen Staat wie Michigan gewann, der jahrezehntelang in demokratischer Hand war.
Die ganzen Liberalen, die Demokraten, diese ganzen MSNBC-ZuschauerInnen kann er eh nicht für sich gewinnen.
Er muss seine eigenen Leute bei Laune halten, die er eigentlich in vielen Punkten schon enttäuscht haben müsste. Denn den vollmundig angekündigten Sanktionen gegen China folgte: nichts. Die große Gesundheitsreform: [6][ist immer noch nicht durch]. Und die vielen Kohlejobs: werden auch nicht entstehen.
Doch das alles lässt sich mit ein paar Beleidigungen gegen den vermeintlichen gemeinsamen Feind gut kaschieren.
2 Jul 2017
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Bei CNN war Jeffrey Lord Experte für Donald Trump: Er verteidigte dessen Politik. Nach einem „Sieg Heil“-Tweet warf CNN ihn nun raus.
Via Twitter verbreitet der Präsident ein Video, auf dem er scheinbar auf das CNN-Logo einschlägt. Zuvor hatte er Moderatoren des Senders MSNBC beleidigt.
Das Verhalten des US-Präsidenten ist unmöglich. Aber die Medien nutzen Trump mit ihrer Konzentration auf falsche Themen eher als dass sie ihm schaden.
Sie sind nicht einig, müssen es aber hinkriegen. Was erwarten Australien, Kanada und die USA vom Gipfel?
Kurz vor dem G-20-Gipfel nutzt Kanzlerin Merkel eine Regierungserklärung für eine deutliche Botschaft an Donald Trump: So nicht, Mr. Präsident.
Heimlich und schnell wollte die Republikaner-Führung ihr schonungsloses Gesundheitsgesetz durchs Parlament bringen. Doch der Entwurf ist in der Partei umstritten.
Wollte der US-Präsident möglicherweise die Justiz behindern? Das überprüft jetzt der in der Russland-Affäre eingesetzte Sonderermittler Robert Mueller.
Breitbart verliert Werbekunden, Fox News positioniert sich neu: Unter Trump kriseln die rechten Medien und reagieren darauf unterschiedlich.