taz.de -- Kommentar Türkei und die Katar-Krise: Erdoğans unaufrichtige Rhetorik

Analog zum Protest gegen die Niederlande wird in der Türkei nun für Katar protestiert. Die albernen Demos veranschaulichen die Außenpolitik.
Bild: Türkische Demonstranten am 7. Juni 2017 in Istanbul

Am Mittwoch bewilligte das türkische Parlament die Verlegung [1][türkischer Soldaten nach Doha]. Mit dieser Erfüllung von Teilen eines Abkommens von 2015 soll der Emir von Katar beruhigt werden, der angesichts einer möglichen Invasion seines Landes ziemlich verängstigt sein dürfte. Die Verlegung der Truppen ist allerdings in keiner Weise ein Bruch der Türkei mit Saudi-Arabien oder den USA. Präsident Erdoğan kann es sich nicht leisten, die Beziehungen zu den beiden Staaten zu verschlechtern – will aber andererseits das wirtschaftlich lukrative Verhältnis zum Emir von Katar nicht gefährden.

Angesichts der eskalierenden Krise in der Golfregion findet sich die Türkei einmal mehr zwischen den Stühlen wieder, isoliert und verunsichert. Schon fragen Verschwörungstheoretiker in regierungsnahen Medien: „Sind wir die Nächsten? Ist die Türkei gar das eigentliche Ziel?“

Analog zu dem Protest gegen die Niederlande vor dem Verfassungsreferendum im April wird in der Türkei nun für Katar protestiert. Anstatt abgestochener Orangen dient diesmal die Flagge Bahrains als Protestsymbol, hat doch Bahrain ebenfalls Sanktionen gegen Katar erlassen. Diese albernen Demonstrationen eignen sich gut, um die türkische Außenpolitik zu veranschaulichen, die seit Längerem unzusammenhängend und ziellos vor sich hin dümpelt.

Die ganze unaufrichtige Rhetorik von „unseren Brüdern“ hier und da, das Sich-stets-auf-die-Seite-der-Fallengelassenen-Schlagen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Erdoğan längst nicht nur dem Westen kein verlässlicher Partner mehr ist, [2][sondern auch im Nahen Osten].

Heute mag er noch Truppen schicken und Katar umgarnen. Aber womöglich wacht der Emir morgen mit der Nachricht auf, dass Erdoğan ihn als Terroristen beschimpft.

8 Jun 2017

LINKS

[1] /!5419221
[2] /!5418394

AUTOREN

Ali Celikkan

TAGS

Schwerpunkt Türkei
Katar
Katar
Katar
Schwerpunkt Iran
Saudi-Arabien
Katar

ARTIKEL ZUM THEMA

Krise am Golf: Iranisches Obst und Gemüse für Katar

Der Iran schickt Flugzeuge mit Lebensmitteln ins isolierte Katar. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel warnt unterdessen vor einem weiteren Golf-Krieg.

Die Wahrheit: Wirrwarr in Katar

Neue historische Erkenntnisse zur diplomatischen Krise rund um das Golf-Emirat. Die Lösung liegt auf der Hand beziehungsweise im Korb …

Kommentar Terror im Iran: Schockzustand in Teheran

Ob die Krise um Katar und der Doppelanschlag im Iran direkt zusammenhängen, ist unklar. Die Stabilität der Region wird durch beides gefährdet.

Beziehungen zwischen Türkei und Katar: Zusammen ist man weniger allein

Die Katar-Krise hat Folgen für die Türkei. Das Emirat ist der letzte Verbündete Erdoğans im Nahen Osten. Wie abhängig ist er vom Geld aus dem Golf?

Kommentar Krise am Golf: Trumps Eigentor in Katar

Trump hat Saudi-Arabien einen Freibrief erteilt, den Konflikt mit Katar und dem Iran zu eskalieren. Das könnte zum Krieg führen.

Emirat Katar in der Isolation: Neue Achsen für Nahost

Das neue arabische Bündnis richtet sich nicht nur gegen Katar. Seine wichtigeren Gegner sind die Islamische Republik Iran und Erdoğans Türkei.