taz.de -- Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Besinnen wir uns!

Viele Menschen wünschen sich einen Ort zum Innehalten. Der Flughafen Frankfurt kommt dem Wunsch nun mit dem neugeschaffenen Raum der Stille nach.
Bild: Im Raum der Stille auf dem Frankfurter Flughafen

Der Flughafen Frankfurt eröffnet einen Raum der Stille. Einen Ort zum Innehalten am größten Luftdrehkreuz Deutschlands. Eine gute Idee: Denn besinnungslos reisen wir um die Welt. Die World Tourism Organisation erwartet bis im Jahre 2030 1,8 Milliarden Touristenankünfte, doppelt so viel wie 2010.

Dann werden noch mehr feierwütige Touristen in Amsterdam, Prag, Barcelona einfallen. Die Inseln dieser Welt – von Mallorca bis zu den Kleinen Antillen – werden niedergetrampelt von bewegungshungrigen Kreuzfahrern. Nicht nur auf den Balearen protestieren die Bewohner gegen den Ansturm, auch in Hongkong wehren sich Einwohner gegen Luxustouristen vom chinesischen Festland: „Hilfe, die Gucci-Touristen kommen!“

Wir reisen unsere Städte kaputt: Die „Hotelisierung“ ist weit fortgeschritten. Sie manifestiert sich nicht nur in immer neuen Hotels – durch Zimmervermittlungsagenturen wie Airbnb werden Privatwohnungen zu Unterkünften. Sie schleusen Touristen direkt in die Nachbarschaft. „Like a local“ heißt die Authentizität suggerierende Devise sich alternativ gebärdender Internetportale, aber nichts untergräbt die Authentizität von Stadtvierteln mehr als diese individuelle Ökonomisierungsstrategie. Disneyland lässt grüßen.

In Zeiten hemmungsloser Liberalisierung könnten die Sehenswürdigkeiten der Städte in ihren alten Zentren mit Paywalls vor zu vielen Besuchern geschützt werden. Die City als VIP-Bereich, reserviert für zahlungskräftige Reiche. In Paris, London, New York geht die Entwicklung auch ohne Paywalls in diese Richtung. Damit einher geht die Privatisierung des öffentlichen Raums: Brandenburger Tor, Markusplatz, der Louvre könnten zur Sponsorenzone für teure Großevents werden.

Tourismus nur noch als Privileg einer zahlungsfähigen Elite wie in seinen frühen Anfängen? Wir sollten auf jeden Fall in uns gehen. Spätestens vor dem Abflug am Flughafen Frankfurt.

17 Jun 2017

AUTOREN

Edith Kresta

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