taz.de -- Kommentar zu getötetem Radfahrer: Einfach kein Bewusstsein für Radler

Ob SUV wie beim tödlichen Unfall in der Hermannstraße oder Corsa: Viele Autofahrer haben Radfahrer nicht auf dem Schirm und empfinden sie nur als störend.
Bild: Räder wie dieses, oft weiß angestrichen, erinnern an bei Unfällen getötete Radfahrer

Porsche Cayenne, SUV, auf dem Radstreifen geparkt. Die Umstände der jüngsten tödlichen Begegnung zwischen Auto und Radfahrer erfüllen alle Klischees. Doch das Feindbild der teuren und oft nur vermeintlich Off-road-geeigneten Schwergewichte, in der Innenstadt sowieso am falschen Ort, verengt den Blick. Und lenkt davon ab, dass für solche Unfälle viel mehr in Frage kommen. Eines haben sie nämlich alle gemein, ob SUV-, Transporter- oder Corsa-Fahrer: Ihnen fehlt oft das Bewusstsein, dass neben ihnen auf der Straße eben auch noch Radfahrer unterwegs sind.

Denn rational ist Türaufreißen ohne Blick auf die Straße genauso wenig zu erklären wie Rechts-vor-links-ignorieren: Gerade die Fahrer teurer Neuwagen müssten sich, wenn schon nicht um andere, so doch um Lackschäden sorgen, die schnell in die Tausende gehen. Und wer dürfte daran interessiert sein, wegen fahrlässiger Tötung angeklagt zu werden?

Erklären lässt sich das nur damit, dass – gefühlt – viele Autofahrer die Radler einfach nicht auf dem Schirm haben, sie auf der Straße als störend empfinden, wie ein lästiges Insekt, das zu verscheuchen ist, wenn man es denn doch bemerkt. Geläufigstes Mittel: hupen.

Angesichts von zu wenig Personal ist es utopisch zu hoffen, dass Polizeikontrollen daran etwas ändern. Bewusstsein für Radler ließe sich aber durchaus erlernen – und das sogar verpflichtend: So wie jeder vor der Führerscheinprüfung den Schulterblick eingehämmert bekommt, könnte man dazu eine Vorschrift aus Holland übernehmen und prüfungsrelevant machen: Die Fahrertür immer mit der rechten Hand öffnen zu müssen, was den Blick zwangsläufig auf die Fahrbahn lenkt.

Die Hoffnung, solche Schulungen nicht nur für Fahranfänger, sondern für alle durchsetzen zu können, ist zwar gleichfalls utopisch. Aber über eine Generation von Führerscheinprüfungen durchgezogen, kann das etwas verändern und nebenher auch für zumindest etwas mehr Bewusstsein für Radler sorgen. Dem 55-jährigen Toten von der Hermannstraße hilft das leider nicht mehr.

15 Jun 2017

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Stefan Alberti

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