taz.de -- Brasilianische Politikerin Luiza Erundina: Die furchtlose Aufsteigerin

Luiza Erundina hat sich dem politischen Kampf verschrieben. Die Linke scheut auch mit 82 Jahren keine politische Auseindersetzung.
Bild: Seit 20 Jahren Abgeordnete in Brasilien: Luiza Erundina

RIO DE JANEIRO taz | Trotz ihrer 82 Jahre ist Luiza Erundina gerne dabei, wenn das Rednerpodium im Parlament besetzt wird oder es zu Rangeleien kommt. Zuletzt am vergangenen Mittwoch, als sie sich bedrohlich neben dem Parlamentspräsidenten aufbaute und den Sprechchor „Fora Temer“ – weg mit Präsident Temer – anstimmte. Draußen im Regierungsviertel lieferten sich Demonstranten und Polizei eine Straßenschlacht.

Einen Tag später unterschrieb Luiza Erundina ein Dokument mit, das die zunehmende Regierungsgewalt anprangert und UN-Beobachter für Brasilien fordert.

Die streitbare Politikerin stammt aus Paraíba im armen Nordosten. In der Kleinstadt Uiraúna wird sie 1934 als siebtes von zehn Kindern eines Sattelmachers geboren. Als Kind arbeitet sie als Süßigkeitenverkäuferin, die fünfte Klasse muss sie zweimal wiederholen, weil es in ihrer Nähe keine weiterführende Schule gibt. Über Basisgruppen der katholischen Kirche gelangt Erundina zur Politik. Sie setzt sich für die Rechte von Frauen ein und wird dafür unter der Militärdiktatur (1964–1985) verfolgt. Als gelernte Sozialarbeiterin geht sie nach São Paulo.

1980 gründet sie an der Seite von Expräsident Lula da Silva die Arbeiterpartei PT. Obwohl sie dem radikalen Flügel der Partei angehört, gelingt es ihr acht Jahre später, als erste Linke und erste Frau Bürgermeisterin einer lateinamerikanischen Metropole zu werden, in São Paulo.

Lange bevor Lula Präsident wird, tauscht sie die PT 1998 gegen die sozialistische PSB ein. Als sich die 18 Jahre später von Lulas Nachfolgerin Dilma Rousseff abwendet, tritt sie in die PSOL ein, ein Art Linksabspaltung der Arbeiterpartei.

Trotz ihrer kräftigen Statur erstaunt es, mit welch auch körperlichem Elan sich die alte Dame in die politischen Auseinandersetzungen stürzt. Die Regierung Temer bezeichnet sie als illegitim, wirft ihm vor, dass er keine einzige Frau in sein Kabinett berief und wettert gegen den Rechtsruck. Die Massenmedien in Hand weniger Familien bezeichnet sie als „politische Partei“.

Und mit ehemaligen politischen Mitstreitern geht sie hart ins Gericht. „Nicht ich bin aus der PT ausgetreten, die PT hat mich verlassen“, sagt sie heute über ihre einstige politische Heimat.

29 May 2017

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Andreas Behn

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