taz.de -- Grüne in Österreich: Eine Doppelspitze soll es richten

Die EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek und die Tiroler Politikerin Ingrid Felipe sollen die Partei in die Wahlen führen. Die Umfragen sehen nicht gut aus.
Bild: Neues Spitzenduo: Ulrike Lunacek (l.) und Ingrid Felipe

Wien taz | Mit einer Doppelspitze werden Österreichs Grüne in die vorgezogenen Nationalratswahlen im kommenden Herbst ziehen. Die Tiroler Landeshauptmannstellvertreterin, Ingrid Felipe, wird Parteichefin, die EU-Abgeordnete und Vizepräsidentin des Europaparlaments, Ulrike Lunacek, macht die Spitzenkandidatin.

Das hat der erweiterte Bundesvorstand am Freitag bei einer Sitzung in Salzburg beschlossen. Absegnen muss diese Entscheidung noch der Bundeskongress im Juni. Die Entscheidungen wurden durch den überraschenden Rücktritt von Bundessprecherin Eva Glawischnig am vergangenen Donnerstag notwendig.

Lunacek, die in den nächsten Tagen 60 Jahre alt wird, positionierte sich gleich mit Alleinstellungsmerkmalen innerhalb des politischen Panoramas. Österreich dürfe nicht in Richtung Orbán abdriften, sagte sie im Fernsehinterview in Anspielung auf den rechtsnationalistischen Kurs des ungarischen Premierministers. Die Grünen seien die einzige Partei, die eine Regierungsbeteiligung der FPÖ verhindern könne. Mit den Grünen in der Regierung könne sich Österreich „in Richtung einer proeuropäischen, konstruktiven und sozialen Kraft in der Union“ bewegen.

Derzeit sagen die Umfragen gemeinsame Mehrheiten von SPÖ und FPÖ oder ÖVP und FPÖ voraus. Eine Neuauflage der Groko, die längst keine große Koalition mehr wäre, erscheint nach den regierungsinternen Verwerfungen der vergangenen Wochen rein atmosphärisch schwer vorstellbar.

Rot-grüne Mehrheit nicht in Sicht

Eine rot-grüne Mehrheit ist nicht in Sicht, selbst wenn man die liberalen NEOS dazunehmen würde. Die Grünen liegen unter zehn Prozent. Bei der letzten Nationalratswahl hatten sie noch über zwölf Prozent bekommen.

Neben einem klaren Bekenntnis zu Europa will Lunacek Grundrechte, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit einfordern. Die 38-jährige Ingrid Felipe wird die Partei von Tirol aus führen. Dort will sie auch bei den Landtagswahlen im kommenden Frühjahr für eine Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition antreten.

Sie war schon bisher stellvertretende Bundessprecherin und daher häufig zu Sitzungen in Wien. Ulrike Lunacek will in Brüssel noch einige Projekte abschließen, bevor sie sich voll in den Wahlkampf stürzt, der erst nach den Sommerferien offiziell beginnt. Gewählt wird am 15. Oktober.

Die beiden Frauen eint die Liebe zu Lateinamerika. Ingrid Felipe hat ihren Sohn und ihren Nachnamen von einem Dominicano, von dem sie inzwischen geschieden ist. Lunacek lebt seit einem Vierteljahrhundert mit der peruanischen Lesben-Aktivistin Rebeca Sevilla zusammen.

21 May 2017

AUTOREN

Leonhard

TAGS

Grüne Partei Österreich
SPÖ
FPÖ
Grüne Partei Österreich
Wahl Österreich
Wahl Österreich
Österreich
ÖVP
Österreich

ARTIKEL ZUM THEMA

Neue Konkurrenz für Österreichs Grüne: Die Pilz-Partei

Der Ex-Grüne Peter Pilz tritt bei der Wahl im Herbst mit einer eigenen Liste an. Meinungsforscher rechnen mit einem Potenzial bis zu 15 Prozent.

Grüne in Österreich: Peter Pilz will's wissen

Eigentlich wollte er in Rente gehen. Nun plant der Grünen-Abgeordnete Peter Pilz, bei der Parlamentswahl mit einer eigenen Liste anzutreten.

Grüne in Österreich: Mit neuer Spitze in die Wahl

Die Vorsitzende der Partei, Ewa Glawischnig, tritt überraschend zurück. Der Parteivorstand will am Freitag über die Nachfolge entscheiden.

Chefwechsel in der österreichischen ÖVP: Carte blanche für den Vorsitzenden

Außenminister Sebastian Kurz ist der neue Parteiobmann und mit umfangreichen Vollmachten ausgestattet. Die Entscheidung war alternativlos.

Koalitionskrise in Österreich: Die sieben Gebote des Sebastian Kurz

Der Außenminister will nur dann den Vorsitz der ÖVP übernehmen, wenn er dafür mit umfassenden Vollmachten ausgestattet wird.

Kommentar Koalition in Österreich: Szenen einer kaputten Ehe

Das Verhältnis zwischen SPÖ und ÖVP ist endgültig zerrüttet. Eine baldige Neuwahl in Österreich ist deshalb unausweichlich.