taz.de -- Anti-Korruptions-Proteste in Russland: Kritik an Massenfestnahmen

Im Zuge der Proteste gegen Korruption wurden Hunderte verhaftet – darunter auch Putin-Kritiker Nawalny. Die EU fordert die Freilassung der Demonstranten.
Bild: Weggesperrter Demonstrant in Moskau

Moskau/Brüssel ap/dpa | Bei Demonstrationen von Tausenden unzufriedenen Russen gegen die Korruption in ihrem Land hat die Polizei Hunderte Menschen festgenommen. Die Protestierenden waren einem Aufruf von Oppositionsführer und Putin-Kritiker Alexej Nawalny gefolgt, der auf dem Weg zur Demonstration auf dem Puschkin-Platz in Moskau am Sonntag in Gewahrsam genommen wurde. Landesweit vom Fernen Osten bis zum Ural gingen die Menschen auf die Straße, um gegen die von Nawalny vermutete Korruption in der Regierung zu demonstrieren.

Nach Angaben der Organisation OVD-Info, die die politische Unterdrückung in Russland beobachtet, gab es allein in Moskau mehr als 800 Festnahmen. Die Nachrichtenagentur Tass sprach unter Berufung auf die Moskauer Polizei von rund 500 Festgenommenen. In Wladiwostok wurden mindestens 25 Menschen in Gewahrsam genommen, in Chabarowsk zwölf.

Die EU forderte die russischen Behörden zur sofortigen Freilassung der bei friedlichen Protesten festgenommen Demonstranten auf. Die Polizeieinsätze am Sonntag hätten die Ausübung der auch in der russischen Verfassung verankerten Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit verhindert, ließ die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Montagmorgen mitteilen. Man rufe Russland auf, die Grundrechte zu garantieren und sich vollständig an seine internationalen Verpflichtungen zu halten.

Auch aus den USA kam Kritik. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Mark Toner, betonte in einer Mitteilung, die festgenommenen Demonstranten müssten sofort wieder auf freien fuß gelassen werden. Das russische Volk verdiene, wie überall auf der Welt, eine Regierung, die einen offenen Marktplatz an Ideen sowie Transparenz in der Staatsverwaltung unterstütze.

Zahlen zur Teilnehmerzahl auf dem Moskauer Puschkin-Platz und in der angrenzenden Twerskaja-Straße gab es nicht. Die Polizei schätzte die Moskauer Menge auf knapp 7.000, es dürften jedoch mehr Teilnehmer gewesen sein. In Sankt Petersburg kamen rund 5.000 Demonstranten zusammen.

Beobachter bezeichneten die Demonstrationen als die größte koordinierte Aktion seit den Massenprotesten 2011 und 2012 gegen mutmaßlichen Betrug bei den damaligen Parlamentswahlen. Vereinzelt kam es zu Handgemengen mit der Polizei. Einen festgenommenen Mann schleiften die Polizisten in Moskau über den Asphalt.

Häuser, Jachten, Weinberge

Im Fokus der Proteste stand der Vorwurf Nawalnys, wonach Ministerpräsident Dmitri Medwedew eine Sammlung von Häusern, Jachten und Weinbergen angehäuft haben soll. Sein mutmaßlicher Luxus soll auch ein Gehege für die Aufzucht von Enten umfassen. Deshalb trugen viele Demonstranten Plakate mit spöttischen Bildern gelber Spielzeugenten. Die Menschen seien verärgert, weil es keine Ermittlungen zur vermuteten Korruption gebe, sagte Demonstrant Iwan Gronstein in Moskau.

Staatsmedien berichteten bis zum Mittag zunächst nicht über die Proteste. In den sozialen Netzwerken und auf Nachrichtenseiten war dagegen von landesweiten Demonstrationen die Rede. „Es ist beängstigend“, sagte die 19-Jährige Jana Aksjonowa zu dem Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten. „Doch wenn jeder Angst hat, würde niemand auf die Straße gehen.“

Medien berichteten von Demonstrationen auch in anderen großen Städten des Landes, darunter Nowosibirsk, Tomsk und Krasnojarsk. Einige Demonstranten hatten sich ihre Gesichter grün bemalt – in Anlehnung an den kürzlich verübten Farbanschlag auf Nawalny. Vor ein paar Tagen hatte ihm ein Unbekannter eine grüne Flüssigkeit ins Gesicht geschüttet.

Der charismatische Oppositionspolitiker und Gegner von Präsident Wladimir Putin hatte zu den Anführern der Proteste gegen die Regierung in den Jahren 2011 und 2012 gehört. Vor allem in der Mittelschicht in den großen Städten ist der 40-Jährige nach wie vor beliebt. Er wollte eigentlich 2018 für die Präsidentschaftswahlen kandidieren. In der Neuauflage eines Prozesses wegen fragwürdiger Betrugsvorwürfe wurde Nawalny jedoch im Februar zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, die ihm eine Kandidatur unmöglich macht.

27 Mar 2017

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