taz.de -- Kommentar Besuch bei Trump: Fliegen Sie nicht, Frau Merkel!
Warum muss die Kanzlerin im Weißen Haus zu Trumps Bedingungen antanzen? Soll er doch nach Berlin kommen und sich anpassen.
[1][Der Schneesturm über der amerikanischen Ostküste], der auch zur Verschiebung der ersten persönlichen Begegnung zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Donald Trump geführt hat, ist eine gute Gelegenheit, die ganze Reise grundsätzlich zu überdenken – und sie abzusagen.
Seit siebeneinhalb Wochen hat Trump sich im Weißen Haus verschanzt. Er verlässt es lediglich zu Ausflügen auf beschütztem Terrain und zu Wochenenden in seinem eigenen Golf-Club in Florida. Schon gar nicht traut er sich ins Ausland.
Merkel weiß, dass Trump kein normaler Politiker ist. Sie kennt seine Lügen und Hasskampagnen. Sie weiß, dass er die demokratischen Institutionen attackiert, gegen Migranten und Minderheiten hetzt, Medien als Feinde betrachtet, Klimapolitik für überflüssig hält, die Außenpolitik militarisiert und die multilateralen Beziehungen auf bilaterale umstellen will.
In dieser Situation geht es darum, politisch und moralisch Flagge zu zeigen. Die deutschen Konzerne haben das Lobbying von Frau Merkel nicht nötig. Die Autos, die Maschinen und die Pharmaprodukte „Made in Germany“ verkaufen sich auch ohne ihre Reise nach Washington. Und die EU braucht keinen deutschen Alleingang in Washington, im Gegenteil.
Trump soll Gegendemos und kritische Fragen ertragen
Anstatt Trump durch ihren Besuch im Weißen Haus aufzuwerten, wo er die Bedingungen diktiert, sollte Frau Merkel ihn herauslocken. Sie sollte ihn auf ihr Terrain und zu ihren Bedingungen einladen. Im Umgang mit einem gefährlichen Populisten braucht es keine Banalisierung, sondern Persona-non-grata-Petitionen nach britischem Vorbild, massive Gegendemos auf den Straßen und Pressekonferenzen, bei denen auch kritische Journalisten fragen dürfen.
Wenn Frau Merkel es schaffen würde, Trump auf ihrem Terrain vorzuführen, würde sie sowohl der Öffentlichkeit in den USA als auch den Gegnern von rechten Populisten in Deutschland und Europa einen Dienst erweisen.
16 Mar 2017
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Es ist zu früh, sich auf ein Amtsenthebungsverfahren zu freuen. Statt Russlandbashing sollte die Opposition lieber auf Daten- und Klimaschutz drängen.
Bundeskanzlerin Merkel hat erstmals den neuen US-Präsidenten Trump getroffen. „Ich bin kein Isolationist“, sagt er bei der Pressekonferenz.
Die Bundeskanzlerin muss dem US-Präsidenten Trump begegnen, als gelte es, einen Weltkrieg zu verhindern. Und sie sollte sagen, Putin sei eine Pussy.
Die deutsche Wirtschaft könnte durch Trumps Protektionismus leiden. Merkel kann ihr helfen – wenn sie Verständnis für US-Positionen zeigt.
Angela Merkel wollte mit Donald Trump über die Erderwärmung sprechen. Jetzt wurde das Treffen wegen eines Schneesturms verschoben.
Die Kanzlerin und der amerikanische Präsident könnten verschiedener nicht sein. Ob sie wirklich ins Gespräch kommen, ist sehr fraglich.