taz.de -- Der Wandel der Welt in Berlin: Viel Blech für schlappe 320.000 Euro

Das Ende der Kunsthalle Platoon in Prenzlauer Berg ist besiegelt. Man kann sie sogar auf eBay kaufen.
Bild: Wird verkauft: die Kunsthalle Platoon in Prenzlauer Berg

Wer über den rasanten Wandel der Welt in Berlin eine, sagen wir, Dissertation schreiben wollte und wer nach einer Ecke suchte, wo er auf wenigen Metern alles fände, was diesen ausmacht: Man könnte diesen Menschen ans südliche Ende der Schönhauser Allee schicken.

In den letzten Jahren ist die Hosteldichte dort derart gestiegen, dass man mehr Menschen sieht, die sich auf Englisch unterhalten als in sonst einer Sprache. Man sieht in diesem Kiez Menschen, die in Edelrestaurants Biobroiler für 15 Euro essen – aber auch noch Alteingesessene in der Bude gegenüber, die hier seit 15 Jahren für ein Viertel des genannten Preises Mittag machen.

Vor nicht allzu langer Zeit ist dort, wo einmal die „Clublegende“ White Trash residierte, ein Laden ^^für teure Turnschuhe eingezogen. Am Eröffnungsabend standen dort Leute Schlange, um Sneaker für 200 Euro zu kaufen, die einen Tag später auf eBay für 600 gehandelt wurden.

Auf eBay übrigens kann man nun auch kaufen, was seit 2012 dieses Viertel ebenfalls umtrieb: die Kunsthalle Platoon, bestehend aus 33 Seecontainern. Kostenpunkt fürs Komplettpaket: schlappe 320.000 Euro. Gute vier Jahre lang gab’s hier Veranstaltungen von koreanischen Burger-Brat-Battles bis zu Virtual-Reality-Festivals – nicht wenige davon waren Markenevents und ergo recht kommerzieller Natur. Der Mietvertrag für das 4.500 Quadratmeter große Areal ist ausgelaufen, Mitinhaber von Platoon, Christoph Frank, sagt, man sei auf der Suche nach neuen Konzepten.

Und während man ein paar Meter weiter nach dem Einkauf beim Rewe mit einigen der einfallsreichsten Bettler dieser Stadt ins Gespräch kommen kann, darf man sich fragen: Was mag nun noch kommen an einer Ecke wie dieser? Wohnungen im Luxussegment? Ein Pop-up-Store für Drohnenzubehör, Tomatenstrunkentferner oder ergonomisches Möbeldesign aus Dänemark vielleicht?

27 Feb 2017

AUTOREN

Susanne Messmer

TAGS

Gentrifizierung
Clubsterben
Konsum
Schwerpunkt Angela Merkel
Lesestück Recherche und Reportage
Festsaal Kreuzberg

ARTIKEL ZUM THEMA

Gentrifizierung in Berlin-Mitte: Die sprechenden Fassaden

Einst schrieben Besetzer „Wir bleiben alle“ auf ihr Haus. Nun pinselt ein Investor „Wir schaffen das“ auf eine Fassade. Ein Spaziergang.

Immobilienmarkt in Berlin: Syndikat für Anfänger

Zufällig erfahren Mieter in Berlin, dass ihr Haus verkauft werden soll. Wie es ihnen gelingt, im letzten Moment einen Investor auszustechen.

Entscheidung im Streit um Berliner Club: Das White Trash ist reif für den Müll

Die Betreiber des Festsaal Kreuzberg übernehmen den insolventen Club und dessen Mitarbeiter. Schon Mitte Januar könnte es erste Konzerte geben.