taz.de -- Die Wahrheit: Floraler Irrweg

Wer am Valentinstag immer noch Blumen verschenkt, gehört tüchtig geohrfeigt. Schuld an dem irrigen Verhalten ist wie immer die Evolution.
Bild: Am Valentinstag markieren Männer ihr Revier gern mit Blumen

Es ist ein Backlash zurück in finsterste Zeiten. Der Mensch war zwar schon mit einem großen Gehirn ausgestattet, doch wusste er es nicht kontrolliert zu nutzen, sondern experimentierte völlig ungezielt damit herum. Die Zivilisation, wie wir sie heute kennen, ist letztlich nur ein zufälliges Abfallprodukt der planlosen Spielereien.

Naturgemäß führten diese oft in kulturelle Sackgassen, die zum Teil auch noch bis heute zu bestaunen sind: Genitalverstümmelung, Patriarchat, Kannibalismus, Volksmusik, Fremdenhass, Schienenersatzverkehr und nicht zuletzt der Valentinstag.

An dieser Stelle müssen wir bis weit in die Vorzeit ausholen, als sich die meisten Tier- und Pflanzenarten entwickelten. Damals eroberten sich die essbaren Früchte ihre ökologische Nische nicht nur mit Duft und Wohlgeschmack, die dazu führten, dass Mensch und Tier sie aßen und Kerne oder Samen an anderer Stelle in die Gegend kackten – Expansion und Dünger in einem. Nein, sie warfen sich auch noch bunt und auffällig in Schale. Stiefelte nun der Urmensch durch den Wald, konnte er von Weitem das Obst am Baume leuchten sehen. Eine Win-win-Situation für beide.

Diese Eigenschaft machte sich nun leider auch eine tückische kleine Pflanze zunutze. Sie war ursprünglich grau, kaum drei Zentimeter hoch, stank wie monatelang in einer Tupperdose hinten links im Kühlschrank vergessene Makkaroni nach dem Lüften des Deckels und wuchs bevorzugt auf Fledermauskot. Selbst Aasfliegen machten einen weiten Bogen um die Urblume.

Doch eine erste kleine, von einem Gendefekt ausgelöste Mutation bewirkte Erstaunliches: Ein kaum merklicher, gelber Sprenkel durchbrach das triste Grau eines Individuums. Und schon kam ein besonders blöder Affe des Wegs, rupfte das mutierte Kraut heraus und fraß es auf. Auf einer Lichtung schied er die Reste wieder aus.

So kam es, dass sich zunehmend bunte Blumen durchsetzten. Bald rochen sie auch besser. Die Schadpflanze verdrängte Baum und Strauch, Vieh und Feldfrucht und ist heute die Hauptursache für Hunger, Erosion und Klimawandel. Ein Hektar Tulpen entzieht dem Boden so viel Nährstoffe wie hundert Hektar Weizen oder eine tausendköpfige Rinderherde. Nur der Mensch mit seinen hochentwickelten Vernichtungstechniken wäre in der Lage, den Siegeszug des Höllenkrauts zu stoppen, das zu allem Unglück auch noch seine Fortpflanzung von Ringelpietz mit Anfassen auf die weit schwerer einzudämmende Bestäubung durch Insekten umstellte. Er tat es nicht, mit Ausnahme des eher halbherzigen Versuchs, die Biene auszurotten.

Nährwert gleich null

Dass die Blume nicht schmeckte und null Nährwert besaß, tat ihrem evolutionären Erfolg keinerlei Abbruch. Zwar unterließ der Mensch nach weiteren hundert Generationen der Scheißerei und rebellierenden Geschmacksknospen endlich den Verzehr der bitteren Gewächse. Doch er hielt weiter an dem nutzlosen Scheingemüse fest. Während Meerkatze, Marderbär und Malabartoko fortan weise die Pfoten davon ließen, beharrte er wie ein Politiker, der trotz Vollversagens nicht zurücktreten will, auf seiner gottgegebenen Unfehlbarkeit: Eine Blume muss doch zu irgendetwas gut sein!

Und so machte er sie zum zentralen Bestandteil seines Balzrituals, im Rahmen einer symbolischen Demütigung des Mannes gegenüber der Frau. Die Schuld tragen, zumindest in emanzipierten Gesellschaften, beide Geschlechter. Denn solang der faule Versuch des Freiers, das Vertrauen der Erwählten nicht mit Blicken, Worten oder wenigstens einer frischen Unterhose zu gewinnen, sondern indem er sie als Endlager für toten Pflanzenmüll missbraucht, von ihr mit einem Lächeln anstelle der verdienten Ohrfeige beantwortet wird, sendet sie die falschen Signale.

Der Schwachkopf fühlt sich dadurch bloß ermutigt, die Natur wird weiter zerstört und die Achtung vor dem jeweils anderen Geschlecht unterminiert. Denn das ehrliche Bemühen um den, und sei es auch nur kurzfristigen, Geschlechtspartner ist eine unverzichtbare Grundlage für ein respektvolles Miteinander. Jeder Blumenstrauß ist ein Dolchstoß in den breiten Rücken des Feminismus. Der wird so mal eben schnell um tausend Jahre zurückgeworfen. Blumen sind die Kugeln in den Waffen der Sexisten, die Vasen ihre Waffen, der Valentinstag ist ihr D-Day.

14 Feb 2017

AUTOREN

Uli Hannemann

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