taz.de -- Im Kampf gegen den „Ideologen“: Volkskommissare für Wissenschaft

Der Asta der Uni Bremen holt sich trotzkistische Rückendeckung für den Kampf gegen den Osteuropa-Historiker Jörg Baberowski.
Bild: Im Streit mit Jörg Baberowski: Plakat des Asta der Uni Bremen

BREMEN taz | Die Auseinandersetzung zwischen dem [1][Asta der Uni Bremen und dem Berliner Osteuropa-Historiker Jörg Baberowski] geht in eine neue Runde: Nachdem der Asta im Oktober vergangenen Jahres seine Buchvorstellung in den Räumen der Universität verhindern wollte, hat der Historiker nun vor dem Landgericht Köln eine einstweilige Verfügung erwirkt. Demnach darf der Asta unter anderem die Behauptung, Baberowski sei ein „rechtsextremer Ideologe“, nicht mehr weiter verbreiten. Andernfalls droht der Studierendenvertretung ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro. Der Asta wehrt sich juristisch und hat dagegen Widerspruch eingelegt.

Auch propagandistisch haben die Bremer Studierendenvertreter weiter aufgerüstet: Zu ihrer Informationsveranstaltung zum Thema „Warum verklagt Baberowski die Bremer Studierendenschaft?“ am Donnerstagabend im Kleinen Hörsaal hat der Asta zwei Referenten der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) eingeladen. Die IYSSE, Jugendorganisation der trotzkistischen Partei für soziale Gleichheit, betreibt seit etwa drei Jahren eine Kampagne gegen den Osteuropa-Historiker an der Berliner Humboldt-Uni.

Die beiden Referenten Sven Wurm und Christoph Vandreier präsentierten vor etwa 100 Studierenden eine Abfolge von Powerpoint-Folien mit Baberowski-Zitaten. Mal mit, mal ohne Quellenangabe, in jedem Fall aber aus dem Zusammenhang gerissen und damit weder spontan im Kontext überprüfbar noch besonders aussagekräftig. Die Bewertung lieferten die Aktivisten jeweils mit: „Baberowski ist kein Wissenschaftler, sondern ein rechter Ideologe“, befand etwa Vandreier. Er betreibe „Geschichtsfälschung, um die übelsten Verbrechen des deutschen Imperialismus reinzuwaschen“ und neue Kriege vorzubereiten.

Die Bremer Studierenden rief er dazu auf, „auch in Bremen den Kampf aufzunehmen gegen rechte Professoren“. Derzeit sei dazu nichts konkret geplant, sagte Asta-Sprecherin Irina Kyburz auf Nachfrage der taz. Dennoch fielen im Verlauf des Abends bereits Namen von Professoren, die sich beispielsweise in Sitzungen frauenfeindlich geäußert haben sollen – und damit gegebenenfalls zur Zielscheibe werden könnten. Die Asta-VertreterInnen beklagen außerdem die aus ihrer Sicht mangelnde Unterstützung des Instituts für Geschichtswissenschaft: Man habe die Professoren aufgefordert, sich mit dem Asta zu solidarisieren – „aber kein Prof wollte sagen, dass Baberowskis Vorgehen illegitim ist“, sagte Kyburz.

Die Direktorin des Instituts, Martina Winkler, sagte der taz: „Es gibt zwar keinen offiziellen Beschluss des Instituts, aber ich denke schon, dass alle darin übereinstimmen, dass es freie Rede an der Universität geben muss.“ Unabhängig von seiner politischen Meinung sei Baberowski ein Wissenschaftler, der das Recht auf freie Rede habe. „Ihn in die rechtsextremistische Ecke zu drängen und ihm Hetze vorzuwerfen, geht nicht“.

3 Feb 2017

LINKS

[1] /!5347388/

AUTOREN

Karolina Meyer-Schilf

TAGS

Asta
Osteuropa
Ideologie
Schwerpunkt Demos gegen rechts
Humboldt-Universität
Bremen
Bremen
Thilo Sarrazin
Adolf Hitler
Studentenproteste
Schwerpunkt Fußball-EM 2024

ARTIKEL ZUM THEMA

Debatte Political Correctness: Wir müssen streiten

Die Debatte um den Berliner Historiker Jörg Baberowski polarisiert. Doch: Moralisches Sektierertum sollten wir den Rechten überlassen.

Asta Bremen versus Jörg Baberowski: Baberowski im rechten Licht

Laut Landgericht Köln darf der Bremer Asta den Historiker Jörg Baberowski „rechtsradikal“ nennen, nicht aber „rassistisch“. Auch verkürzte Zitate seien nicht okay.

Bremer Asta kontra Debattenkultur: Keiner will mehr reden

Der Bremer Asta will einen Vortrag verhindern und bezeichnet den Referenten als „rechtsextremen Ideologen“. Der spricht von einer „stalinistischen Sekte“.

Flüchtlingskrise im Feuilleton: Im Geiste „Schiffe versenken“

Konservative Feuilletonisten wettern gegen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Und ihre Parolen finden auf den Straßen Widerhall.

Kolumne Leuchten der Menschheit: Stalin, Hitler, Syrien

War Hitler ein Psychopath und ist der Historikerstreit schon 29 Jahre her? Im Körber-Forum werden Diktaturen verglichen.

Kolumne Eben: Dialektik des Rumnervens

Studenten nerven. Das ist ihr Job. In der Hysterie um das „Münkler-Watch“-Blog aber wird der aufmüpfige Student zum Bombenleger gemacht.

Historiker über die EM in der Ukraine: „Die Führung in Kiew einfach ignorieren“

Der Historiker Jörg Baberowski plädiert dafür, dass demokratische Politiker den EM-Spielen in der Ukraine fernbleiben. Das trifft die Verantwortlichen am empfindlichsten.