taz.de -- Kommentar Unwort des Jahres: Die Sprache des Mobs

Ja, sie tun weh, die Worte und Unworte der 10er Jahre. Denn sie spiegeln den Zustand der Gesellschaft auf unangenehme Weise wider.
Bild: Mit postfaktischer Inbrunst: das Wort „Volksverräter“ im Feldeinsatz

Der rechte Mob, der das Land zunehmend auf Trab hält, lieferte in den letzten Jahren zuverlässig verbalen Stoff für die Kür der Worte und Unworte des Jahres. Für 2016 lassen sich die für die jeweilige Kategorie unabhängig ausgewählten Begriffe gut miteinander verbinden.

Das bereits Anfang Dezember gekürte „Wort des Jahres“, das da wäre „postfaktisch“, beschreibt jene Personen, die auf Grundlage ihrer zunehmend von Emotionen gesteuerten Interpretation der Gegenwart das althergebrachte und [1][erst kürzlich vermeldete „Unwort des Jahres“], nämlich Volksverräter, aus den eben gar nicht tiefen Tiefen der nationalsozialistischen Vergangenheit ausgekramt haben.

Im August 2016, zum Beispiel, nutzen rechte Demonstranten in Salzgitter das Schlagwort, um mit postfaktischer Inbrunst SPD-Chef Sigmar Gabriel zu beschimpfen. Dieser setzte sich darauf mit einer nonverbalen Geste, dem ausgestreckten Mittelfinger, zur Wehr.

Die Jury der sprachkritischen Aktion „Unwort des Jahres“, bestehend aus vier Sprachwissenschaftler_innen und einem Journalisten, verfolgt das Ziel „in einer Zeit, in der der gesellschaftliche Konsens über die Grundprinzipien der Demokratie in Gefahr zu sein scheint, die Grenzen des öffentlich Sagbaren“ anzumahnen.

Ja, sie tun weh, die Worte und Unworte der 10er Jahre des 21. Jahrhunderts, denn sie spiegeln den Zustand der Gesellschaft auf unangenehme Weise wider. Es geht der Initiative ferner darum, „für mehr Achtsamkeit im öffentlichen Umgang miteinander zu plädieren“. Hoffentlich nehmen sich die postfaktisch Tickenden dies zu Herzen.

10 Jan 2017

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Nora Belghaus

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