taz.de -- „Literarisches Quartett“ ohne Biller: Schluss mit Klugheitsfuror

Maxim Biller hört beim „Literarischen Quartett“ auf. Wer folgt? Es ist Zeit für einen Neubeginn – aber diesmal bitte anschlussfähig für die Jugend.
Bild: Es wurde nie langweilig mit ihm: Schriftsteller und Kolumnist Maxim Biller

Kultur vor dem Aus: Maxim Biller schreibt mehr Bücher. (Und verlässt dafür das „Literarische Quartett“.) Die Nachricht seines Ausstiegs aus der Büchershow trifft ganz Deutschland wie ein Schlag aus der Kabel-TV-Box. Schließlich wurde der Selfish-Publisher, der in der prestigeträchtigen Viererrunde stets den mit Zuckerbrot und Peitsche zugewandten Big Daddy gab, für seine scharfen Kommentare („Katastrophe“, „unerträglich“, „Bitches“), die niemals Attitüde waren, von Scharen schwärmender Fernsehzuschauer verehrt.

Vor allem war es mit dem dreifach doppeltverglasten Biller (der tolle Bücher schreibt!) nie langweilig. So wie auch die anderen Teilnehmer der seit Oktober 2015 ausgestrahlten Neuauflage des Unesco-Weltkulturerbes spielte er zuverlässig mit, war sich der Rollenaufteilung bewusst: er, der Krawallige, Intellektuelle – in terms of ARD und ZDF. Demgegenüber Radiotante Christine Westermann zum Wohlfühlen und Vorlesen; und schließlich Spiegel-Literaturkritiker Volker Weidermann – das Erdmännchen.

Jener liegt nun depressiv im Winterschlaf und träumt eine Mischung aus „Eyes Wide Shut“ und „Being Jon Malkovitch“, in der lauter, lediglich mit schwarzen Slips in Form des Hipster-Dreiecks bekleidete Volker Weidermänner übereinander einfühlende Porträts schreiben. Vielleicht ist das auch fake – in jedem Falle denkt und hängt er, und mit ihm 80 Millionen Literaturtrainer wie im Fiebertraum an der einen Frage.

Bevor jetzt wieder Leute aus den Unis kommen und meinen, in Deutschlands reichweitenstärkstem Medium für Bücherempfehlungen (neben Amazon) müsse endlich differenzierter diskutiert, echte „Literaturkritik“ betrieben werden: Man sollte lieber die Gelegenheit der bevorstehenden Umbesetzung ergreifen und auf die Quote schauen – und die Jugend bedenken.

Erstere spielt ja ohnehin noch kaum eine Rolle: Fernsehmacher sind völlig frei in der Programmgestaltung, Petra Gerster liest Ernst Jandl, Peter Hahne schaut sich schweigend Jackson Pollock an; Quizshows, Schlager, Schiffe sind verboten, hingegen nichts vermeintlich klug genug, um nicht die einst undurchlässige Grenze von Arte zu MDR (und weiter gen RTL) zu überschreiten. Ein wahrer Bildungskrieg, einfach nicht mehr auszuhalten – verständlich, dass alle rechtsradikal werden.

Die Jugend dann, die Jugend. Weiß man ja schon länger. Hat mittlerweile nur noch die Aufmerksamkeitsspanne einer (!) Fliege, ist faul und dumm und unpolitisch. Fast wie der durchschnittliche ZDF-Zuschauer also. Mit dem Unterschied, dass sie noch etwa sechzig Jahre Zeit hat, um so alt zu werden. Daher müssen nun endlich auch mal ihre Interessen gewahrt werden. Jugenddiktatur? Realismus!

Damit sich das junge Publikum den neuen Vorgaben beugt, zum Beispiel der umerzieherischen Berliner Landesregierung, und von der Jugendstudie zur Studienjugend findet, sich also endlich mal Kultur reinfährt (Juli Zeh, Marcel Beyer, alles von Suhrkamp), muss man folglich tief ansetzen.

Werbung scheint da das richtige Mittel. Im tiefsten Herzen ist sie ehrlich, catchy, meist sehr humorvoll (kennen Sie die mit der Wurst?), und vor allem eminent demokratisch, weil markt- und zielgruppenorientiert. Werber wissen, was die (jungen) Leute wollen. Meistens ist das feiern, „Milchschnitte“ oder zur Bundeswehr gehen. Aber man kriegt schon noch andern Content in sie rein. Mit den Alten ist das auch geglückt.

Wer wäre dafür passend anstelle Maxim Billers? Harald Schmidt? Helmut Schmidt? Hartmut Mehdorn! Eine Frau? Am besten alle vier. „Tremendous effort“, kommentiert schon Sahra Wagenknecht. Ein guter Deal, die beste Kombi. Sie werden sich schon unterhalten. Wir schaffen das.

17 Jan 2017

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Adrian Schulz

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