taz.de -- Kommentar Verurteilung in Israel: Gegen die Mauer des Schweigens

Der Schuldspruch ist ein wichtiges Signal an die Armee und die Gesellschaft: Wer sich über Gesetze hinwegsetzt, wird zur Rechenschaft gezogen.
Bild: Unterstützer von Elor Azaria protestieren gegen seine Verurteilung

Es stimmt: Der israelische Sanitätssoldat Elor Asaria, der einen auf den Boden liegenden palästinensischen Attentäter erschossen hat, war erst 19 Jahre alt und würde in Deutschland noch unter das Jugendstrafgesetz fallen. Es stimmt ebenso, dass der junge Rekrut sich in einem emotionalen Ausnahmezustand befand, weil sein Freund und Kamerad niedergestochen wurde. Und es stimmt auch, dass die gesellschaftliche Stimmung in Israel während der sogenannten Messer-Intifada besonders aufgeheizt war: einerseits hilflos gegen Angriffe mit Messern, andererseits voller wütender Aufrufe rechter Politiker, sofort jeden Palästinenser gezielt zu töten, der auch nur einen halbwegs spitzen Gegenstand in den Händen hält.

Doch das israelische Militärgericht hat am Mittwoch glücklicherweise klar gemacht, dass Wut, Rachegefühle und die öffentliche Meinung keinen Kopfschuss auf einen bereits wehrlos auf den Boden liegenden Angreifer rechtfertigen. Asaria setzte sich mit seiner Tat über geltendes Recht, Befehle und den Wertekanon des Militärs hinweg.

Allerdings geht es nicht um diesen einen Soldaten allein. Der Schuldspruch ist gleichzeitig ein wichtiges Signal an die Armee, die wegen der allgemeinen Wehrpflicht und des langen Reservedienstes viel stärker ein Teil der israelischen Gesellschaft ist, als man es in Europa kennt. Die Botschaft der Vorsitzenden Richterin: Wer immer glaubt, sich über Regeln und Gesetze hinwegsetzen zu können, sollte nicht damit rechnen, davonzukommen.

Dass eine Verurteilung nicht an der berühmt-berüchtigten Mauer des Schweigens scheiterte, wie man es sonst häufig von Militär und Sicherheitsbehörden kennt, ist auch der israelischen Menschenrechtsorganisation B’Tselem zu verdanken, die schon seit Langem palästinensische MitarbeiterInnen mit Kameras ausstattet, um Straftaten zu dokumentieren. Ihr liegen noch ein Dutzend weiterer gefilmter Fälle vor, allerdings weit weniger eindeutig als bei Asaria. Und dann gilt eben auch dies: im Zweifel für den Angeklagten.

Gewalt, Mord und Totschlag können keine Armee und kein Staat verhindern. Aber beide können dafür sorgen, dass bestraft, statt unter den Teppich gekehrt wird. Das ist man nicht nur den Opfern schuldig, sondern auch all jenen Armeeangehörigen, die sich in schwierigen Situationen an Recht und Gesetz halten.

4 Jan 2017

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Silke Mertins

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