taz.de -- Putin auf seiner Jahrespressekonferenz: Neue Wertegemeinschaft mit Trump
Wie der Kremlchef die Welt sieht: Lob für den konservativen Konsens in den USA, den Frieden in Syrien und den Aufschwung daheim.
Moskau taz | Diesmal wich der Kreml geringfügig vom Ritual ab. Bevor Wladimir Putin mit ein wenig Verspätung zur Jahrespressekonferenz in Moskau erschien, wurden die rund 1.400 Journalisten vor Ort mit einem Video über das soeben abgeschlossene Treffen zwischen Präsident Putin und Verteidigungsminister Sergei Schoigu informiert. Der Verteidigungsminister rapportierte geflissentlich, wie Russland in Syrien den Frieden vorbereite.
Die Verspätung wollte Wladimir Putin wieder gutmachen und ohne Einleitung in die Pressekonferenz einsteigen. Gewöhnlich hält der Präsident erst mal einen Vortrag über die wirtschaftliche Lage. Diesmal sollten gleich Fragen gestellt werden. Und überraschend lautete die erste Frage, wie es um die Wirtschaft stehe. Der Kremlchef holte aus und kam zu einem beruhigenden Ergebnis: Die Talfahrt der Wirtschaft sei gestoppt, in diesem Jahr werde das Bruttoinlandsprodukt um nur etwa 0,6 Prozent sinken. Viel besser als im Vorjahr, als die Wirtschaft um mehr als 3,7 Prozent schrumpfte.
Es ist eine Stärke des Kremlchefs, Optimismus zu verbreiten. Auch im letzten Jahr wagte der Präsident die kühne Diagnose, Russland habe die Talsohle durchschritten. Ihm kommt entgegen, dass weder Nachfragen gestellt noch Fakten überprüft werden.
Wie immer war der Kremlchef schlagfertig. Als ihn ein US-Journalist fragte, ob im nächsten Jahr vorgezogene Präsidentschaftswahlen stattfänden, konterte Putin süffisant: „In welchem Land?“ Damit war Putin ein Volltreffer gelungen. Geht es dem Kreml doch darum, die westlichen Demokratien als schwach, ineffektiv und undemokratisch darzustellen.
Keine Einmischung
Die US-Wahlen beflügeln Putin. Niemand „außer uns“ habe an Donald Trumps Wahlsieg geglaubt, sagte er und wies auf die Gemeinsamkeiten zwischen Moskau und Washington hin. Die Stimmung in der US-Gesellschaft zeigte, dass Russlands konservativer Wertekonsens auch andernorts Zuspruch finde. Vehement bestritt der Präsident jedoch, dass Russland zugunsten Trumps in die US-Wahlen eingegriffen hätte, und ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht.
Den Vorwurf der Einmischung seitens des russischen Geheimdienstes wischte Putin mit einer Retourkutsche vom Tisch. Die US-Demokraten hätten „an allen Fronten verloren“ und suchten nun einen Schuldigen. „Das ist unter ihrer Würde. Man muss mit Würde verlieren“, sagte Putin. Im Umgang mit den USA beschreibt er, wozu seine Regierung selbst neigt: die Schuld bei anderen zu suchen.
Letztlich spiele es auch keine Rolle, wer den Hackerangriff auf das Computersystem der Demokraten verübt habe. Wichtig seien doch die Informationen, die die Hacker der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt hätten, meinte Aufklärer Putin. Es gehe doch um die Rettung der Demokratie.
23 Dec 2016
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der US-Präsident ist aus den russischen News fast ganz verschwunden. Die TV-Sender sollen eine entsprechende Anweisung des Kreml erhalten haben.
Der Kreml hofft auf einen Neubeginn mit dem US-Präsidenten. Sollte dieser außenpolitisch kürzertreten, wäre das für Moskau ein Geschenk.
Ein Trump-Sprecher bestätigt, dass eine Einladung eingegangen sei, an den Syrien-Verhandlungen in Russland teilzunehmen.
Die amerikanischen Geheimdienste bleiben dabei. Russland steckt hinter den Hackerangriffen auf die US-Präsidentenwahl.
Der Wikileaks-Gründer beharrt darauf: Der Kreml steckt nicht hinter den geleakten Clinton-Mails. Trump freut's, die US-Geheimdienste sehen das anders.
Besorgt blicken Politiker und Wirtschaftsführer Richtung USA. Sollte der neue Präsident Einfuhrzölle erheben, träfe das vor allem Häfen und damit Norddeutschland
Russlands Außenminister will US-Diplomaten ausweisen – Putin widerspricht. Zuvor hatte US-Präsident Obama neue Sanktionen gegen das Land angekündigt.
Nach den mutmaßlichen russischen Hackerangriffen während der US-Wahl hat Präsident Obama Taten sprechen lassen. 35 Diplomaten werden ausgewiesen.
Putin nennt das Ende der Sowjetunion die „größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“: Am Niedergang sei der Westen schuld.
Erst Putin, dann Trump: Der russische Präsident und der künftige US-Präsident wollen ihre atomaren Arsenale ausbauen. Doch noch gilt der Sperrvertrag.
US-Präsident Barack Obama hat eine Vergeltungsaktion gegen Russland angekündigt. Grund sind die mutmaßlich auf Anweisung von Moskau gehackten Clinton-Mails.
Die Suche nach dem Urheber des Hacks geht weiter. Ein US-Sender bezichtigt den russischen Staatschef Putin. Sein Sprecher tut den Vorwurf als Unsinn ab.
Donald Trump hat ExxonMobil-Chef Rex Tillerson zum Außenminister ernannt. Er hat gute Beziehungen zu Russland und sei ein „Weltklasse-Akteur“.