taz.de -- Die Gesellschaftskritik: Endlich mal danebengegriffen

Kanadas Premierminister Justin Trudeau blamiert sich mit einem übereifrigen Nachruf auf Fidel Castro. Die Netzgemeinde reagiert satirisch.
Bild: Trudeau im Kreise guter Freunde

Fidel Castro ist tot und das finden wir…

… spitze, sagten zumindest etliche ExilkubanerInnen, die am Wochenende in Miami über den Tod des Exdiktators jubelten.

… traurig, sagte Bruder und Nachfolger Raúl Castro.

… in jedem Fall historisch, einigten sich weitestgehend die westlichen Medien, die die Tragweite von Castros Wirken anerkannten, ohne ihn zu verklären.

Ganz anders der kanadische Premier Justin Trudeau, der in seiner [1][offiziellen Stellungnahme] zum Tod des Commandante schier nicht mehr einzufangen war: Fidel Castro sei „überlebensgroß“ gewesen und habe „seinem Volk über ein halbes Jahrhundert lang gedient“. Trudeau bezeichnete Castro weiter als „legendären Revolutionär, der das Bildungs- und Gesundheitssystem des Inselstaats merklich verbessert“ habe. Trudeau unterstellte „dem kubanischen Volk“ eine „tiefe und langwährende Zuneigung zum ‚Comandante‘“.

Dass das übers Ziel hinausschießt, fanden nicht wenige in den sozialen Medien. Unter dem Hastag #TrudeauEulogies – unmöglich auszusprechen, aber heißt so viel wie „TrudeauLobreden“ – griffen NutzerInnen das Gesülze des Premiers satirisch auf: „Osama bin Laden war zweifellos eine kontroverse Figur, aber sein Beitrag zur Flughafensicherheit sucht seinesgleichen“, [2][schrieb ein Twitter-Nutzer].

Bis jetzt war Justin Trudeau ein Liebling der Netzcommunities, an dem selbst die notorischsten Online-NörglerInnen nichts Schlimmes zu finden schienen. Wir erinnern uns: Er sieht gut aus, hat Humor und nennt sich Feminist. Mit seinem zuckersüßen Abgesang hat er es nun geschafft, sich auch mal negative Publicity einzufangen – eine weitere historische Leistung, die man getrost Fidel Castro anrechnen kann.

28 Nov 2016

LINKS

[1] http://pm.gc.ca/eng/news/2016/11/26/statement-prime-minister-canada-death-former-cuban-president-fidel-castro
[2] https://twitter.com/Beezer1776/status/802715309811453952

AUTOREN

Peter Weissenburger

TAGS

Justin Trudeau
Schwerpunkt Fidel Castro
Kanada
Kuba
Twitter / X
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Kanada
Kanada
Schwerpunkt Fidel Castro
USA
CETA
Justin Trudeau

ARTIKEL ZUM THEMA

Kommentar Trudeaus USA-Besuch: Wenn der Nachbar ein Bully ist

Kanadas Premierminister Justin Trudeau versucht es in Washington mit Diplomatie. Vielleicht der einzig richtige Weg für den Umgang mit Trump.

Kolumne Unter Leuten: In Fort Providence, Kanada

Stimmt es, dass Alkoholismus zunimmt, je nördlicher man reist? Nach fünf Minuten auf einer kanadischen Party glaubt man das sofort.

Trump Bump und Kanada: Liberales Schlaraffenland

Auf der Suche nach einem besseren Amerika liebäugeln Trump-geplagte US-Bürger mit dem Umzug nach Kanada. Einige sind schon dort.

Abschied von Fidel Castro: „Adiós Comandante“

Zahlreiche Staats- und Regierungschefs erweisen Kubas Ex-Präsident die letzte Ehre. Für seine Schattenseiten ist bei der Feier kein Platz.

Kanadas Angst nach der US-Wahl: Der Schöne und der Trump

Kanadas linksliberaler Präsident Justin Trudeau nennt sich selbst Feminist. Wie soll dieser „Anti-Trump“ mit den USA zusammenarbeiten?

Freihandelsabkommen unterschrieben: Der Kampf um Ceta geht weiter

Nach tagelangem Hin und Her unterzeichnen EU und Kanada das Abkommen. Der Streit um Ceta ist damit noch lange nicht vorbei.

Kolumne Geht's noch?: Infame Methoden

Kanadas Premierminister Trudeau gilt als Posterboy und Welthoffnungsträger in einem. Dabei kann er sein wahres Gesicht einfach nur gut verbergen.