taz.de -- Kommentar Fleischkonsum und Klima: Ran an die Buletten!

Tiere essen ist böse für’s Klima, und deshalb soll Fleischkonsum höher besteuert werden. Das ist doch Quatsch.
Bild: Ernährungserziehung mit dem Steuerknüppel, prost Mahlzeit

Na, heute schon in ein Salamibrötchen gebissen oder Schinken auf die Stulle gelegt? Schämen Sie sich! Dafür mussten Tiere sterben, und schlecht für’s Klima und Ihre Gesundheit ist es auch. Macht Ihnen nix? Die Bundesumweltministerin wird Ihnen die Hammelbeine schon lang ziehen; sie will den [1][ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Fleischprodukte] abschaffen. Ernährungserziehung mit dem Steuerknüppel, prost Mahlzeit.

Sicher wäre es sinnvoll, wenn die Deutschen weniger Fleisch essen würden. Aber der Vorschlag ist daneben, aus prinzipiellen Gründen. Den ermäßigten Mehrwertsteuersatz gibt es ja, weil Fleisch ein Grundnahrungsmittel ist. Eine fleischlose Ernährung ist, zumindest für Kinder, nicht empfehlenswert; schon deshalb darf steuersystematisch nicht bestraft werden, wer sich und seine Kinder ausgewogen ernährt. Dass viele viel zu viel Fleisch mampfen, tut dabei nichts zur Sache.

Klar, Fleischmahlzeiten sind klimaschädlicher als vegetarische. Aber: Auch Käse und Milch sind klimaschädlicher als vegetarische Pastete und Pfefferminztee – und Vegi-Paste und Pfefferminztee sind klimaschädlicher als Nüsse aus dem Garten und Leitungswasser. Mit dem Klimaschutz ließe sich fast jede Steuererhöhung beim Essen begründen – aber irgendetwas muss der Mensch verspeisen. Die Alltagsnahrungsmittel sollte er daher zum ermäßigten Steuersatz bekommen, weil Essen ein Grundrecht ist und kein Luxus.

Im Mehrwertsteuersystem gibt es viele Kuriositäten und Ungerechtigkeiten, die abgeschafft gehörten. Zum Beispiel die Ermäßigung auf Tierfutter, aber den vollen Satz auf Strom und Medikamente. Dennoch: Jetzt eine weitere Unstimmigkeit hinzuzufügen, das ergibt keinen Sinn.

Was aber tun gegen zu viel Fleischkonsum? Ganz einfach, das Image der Alternativen muss aufgewertet werden, vor allem für Männer: Tofu statt Hähnchen im asiatischen Restaurant, Champignoncreme statt Leberwurst zum Abendbrot, Kartoffeln mit Quark statt mit Schweinebraten. Und schon die Schulen dürfen Aufklärung leisten, wo die Buletten herkommen: Exkursionen im Bio-Unterricht könnten nicht nur zum Blümchen zählen auf die Wiese führen, sondern auch in Massenställe, Schlachthöfe und Fleischereien.

4 Nov 2016

LINKS

[1] /Kommentar-Klimaschutz-und-Ernaehrung/!5350890

AUTOREN

Richard Rother

TAGS

Tierschutz
Schwerpunkt Klimawandel
Fleischkonsum
Fleisch
Fleisch
Fleischkonsum
CO2-Emissionen
Pflanzen essen
Fleischkonsum
Landwirtschaft

ARTIKEL ZUM THEMA

Israelisches Start-up Supermeat: Fleisch selbst machen

Ein israelisches Start-up will bald Fleisch verkaufen, das ohne tote Tiere auskommt. Die Zellkulturen sollen zu Hause herangezüchtet werden können.

Umweltsteuer auf Fleisch: Der ganze Preis des Steaks

Die Menschen essen zuviel Fleisch. Was eine Emissionssteuer für Lebensmittel daran ändern würde, haben nun Wissenschaftler errechnet.

Kabinettsbeschluss am Mittwoch möglich: Weniger CO2, mehr Elektroautos

Kann Deutschland doch noch etwas vorlegen bei der Klimaschutzkonferenz in Marokko? Die Bundesregierung diskutiert über den „Klimaschutzplan 2050“.

Kolumne Pflanzen essen: Die Landwirtschaft ist das Problem

Viele vegan lebende Menschen nehmen Vitamin B12. Weil ihre Ernährung unnatürlich ist? Nein: Weil unsere Böden immer ausgelaugter sind.

Kommentar Klimaschutz und Ernährung: Fleisch muss teurer werden

Die Erzeugung einer Kalorie aus Fleisch verursacht weit mehr Treibhausgasemission als eine pflanzliche Kalorie. Es braucht eine andere Steuerpolitik.

Fleischsteuer und Klimaschutz: Schlechtes Klima für Fleischfresser

Agrarminister Schmidt ist dagegen, per Fleischsteuer die klimaschädliche Tierhaltung einzuschränken. Dabei empfehlen das sogar seine Berater.