taz.de -- Die Wahrheit: Die Sendungsverfolgung mit der Maus

Einer verehrten Dame ein Paket zum Geburtstag zukommen zu lassen, kann sich zu einer leidigen Affäre ausweiten.
Bild: Maus mit Brandfleck vor dem WDR-Gebäude

Geburtstag also, und ich wollte ihr was schenken. Auf dem Versandweg, denn sie wohnte weit weg. Die freundliche Dame hinterm Tresen in der Tankstelle gab mir meinen Beleg, auf dem geschrieben stand, welche Nummern ich im Internet einzutippen hätte, auf der Website jenes Paketdienstes, der sich nach dem geflügelten Götterboten der griechischen Antike benannte, um herauszufinden, was meinen Sendungen widerführe, bis zum (glücklicherweise noch fernen) Geburtstag.

Ich war erleichtert und ihre Geschenke waren auf dem Weg. Der Götterbote selbst wachte über sie, sie waren zwei Nummern im System, waren ihm bereits elektronisch angekündigt, ruhten sozusagen bereits im Schatten seiner Flügel, im Schatten der Säulen seines Tempels, die heutzutage Zapfsäulen einer Tankstelle waren.

Am Morgen öffnete ich hoffnungsfroh seine Website. Ich klickte auf „Sendungsverfolgung“, tippte meine Quittungsnummer ein. Beide Pakete hatten sich nicht bewegt. Ich klingelte die Tankstelle an und erfuhr, dass der Abholer stets völlig unvorhergesehen hereinschneite, wie bei Göttern und Paketboten nun einmal üblich. Nein, er sei nicht dagewesen.

Um sieben Uhr morgens keine Neuigkeiten. Auch nicht um acht, um neun, um zehn … Doch dann, ohne Vorwarnung, um elf der Hinweis, die Pakete befänden sich auf dem Weg zum Logistikzentrum.

Ihr Geburtstag rückte näher, doch über den Fortschritt der Versandoperation las ich nur: „Die Sendungen wurden im Verteilzentrum Berlin-Nord bearbeitet.“ Hypnotisiert vom Warteschleifengedudel, graute mir vor der Zukunft. Ob wieder Bewegung in die Affäre zu bringen war? Ihr Geburtstag stand unmittelbar bevor. Endlich eine Stimme am Telefon. Ob es wohl möglich sei, die Pakete aufzufinden und am nächsten Tag zuzustellen? Dies sei durchaus denkbar, noch sei Rom nicht verloren. Es handle sich offenbar um eine Sendungsverzögerung, man müsse noch nichts abschreiben. Dies könne man erst nach drei Wochen. Drei Wochen!

Ich rief sie an: Zwei Pakete an sie seien leider irgendwo im System stecken geblieben. Der Tag vor ihrem Geburtstag. Sie rief mich an, entnervt, da der Götterbote ihr elektronisch mitgeteilt hatte, dass ihr die Pakete nun doch nicht am nächsten Tag zugestellt werden könnten. Ich verwünschte die Idee, ihr auf diesem Wege etwas zu ihrem Geburtstag schenken zu wollen, und schwor mir, nie mehr derlei zu versuchen.

Ihr Geburtstag. Im Netz die übliche Meldung, dass die Pakete im Verteilzentrum bearbeitet worden seien. Ich stellte mir dieses als rostige Blechbaracke vor, in der tausend Teufel mit dicken Hämmern die hereinkommenden Pakete zu Klump schlagen, als das Telefon klingelte. Sie beschenkte mich mit der Mitteilung, dass die Pakete eben angekommen sein, pünktlich zu ihrem Geburtstag! Ich weiß nicht, wem ich mehr gratulierte, ihr oder dem Gott, der das Unmögliche auf unerfindliche Weise, wie nur Götter es vermögen, schließlich doch noch zuwege gebracht hatte.

27 Oct 2016

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Wolf

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