taz.de -- Psychologin über Häftlingssuizid: „Das kann immer passieren“

Je stärker die Überwachung, desto mehr geht es an die Menschenwürde, sagt Katharina Bennefeld-Kersten, Expertin für Suizide von Strafgefangenen.
Bild: Die JVA Leipzig – dort tötete sich der Terrorverdächtige selbst

taz: Frau Bennefeld-Kersten, ein Terrorverdächtiger [1][erhängt sich in der Haft]. Eine Psychologin, die den Mann begutachtet hat, stufte ihn als nicht suizidgefährdet ein. Wie kann das passieren?

Katharina Bennefeld-Kersten: Das kann immer passieren. Man kann einem Menschen nicht in den Kopf hineinschauen, auch wenn man sehr qualifiziert und erfahren ist. Hier kam auch noch das Problem dazu, dass der Mann aus einer anderen Kultur kam, dass ein Dolmetscher zwischengeschaltet war. Sehr schwierig wird es auch mit der Einschätzung, wenn man einen Menschen nicht länger kennt, also keinen Vorlauf hat.

Der Mann wurde alle 15, dann alle 30 Minuten überwacht, hieß es. Aber das nützte offenbar nichts.

Diese Kontrollen erfolgen ja nicht in regelmäßigen Intervallen, man kann auch kurz hintereinander in die Zelle schauen. Aber selbstverständlich kann sich ein Gefangener auch in der Zwischenzeit das Leben nehmen, klar.

Man hätte den Gefangenen in einen besonderen Raum verlegen können, den besonders gesicherten Haftraum. Den gibt es auch in Leipzig, hieß es. Es ist ein gefliester Raum, wo es nichts gibt, woran man sich erhängen kann.

Dazu bedarf es für Untersuchungsgefangene der richterlichen Anordnung. Ob das hier angezeigt war, kann ich nicht beurteilen. Diese besonders gesicherten Räume sind aber sehr unangenehm für die Gefangenen. Jede stärkere technische Prävention geht an die Menschenwürde ran. Und in Leipzig hielten sie den Gefangenen ja nicht für suizidgefährdet.

Kann man als Vorsorge nicht auch normale Zellen in der Untersuchungshaft so umgestalten, dass ein Suizid nicht möglich ist?

Wir haben von der Bundesarbeitsgruppe Suizidprävention im Strafvollzug Empfehlungen erarbeitet für die Umgestaltung in der Unterbringung der Hochrisikogruppe, das sind Untersuchungsgefangene in der ersten Haftzeit, bei Einzelunterbringung. Da geht es beispielsweise darum, dass die Handtuchhaken kippen, wenn man sie zu stark belastet, dass man sich nicht mehr an Fensterkreuzen oder Eisenbetten erhängen kann. Aber in vielen alten Anstalten ist das nicht so leicht umsetzbar.

Jaber A. hat sich mit einem T-Shirt erhängt. Theoretisch könnte man leichter reißende Anstaltskluft ausgeben.

Einige Bundesländer wollen das einführen. Ich bin da vorsichtig, ich habe immer die Krankenhaushemdchen vor mir. Schrecklich.

13 Oct 2016

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Barbara Dribbusch

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