taz.de -- Entschädigung für Homosexuelle: 30 Millionen für Wiedergutmachung
Justizminister Maas plant den Beitrag für Schwule ein, die nach dem ehemaligen Paragrafen 175 verurteilt wurden. Ihre Handlungen galten demnach als strafbar.
Berlin dpa | Bundesjustizminister Heiko Maas sieht für die geplante Entschädigung von Homosexuellen, die nach dem früheren Paragrafen 175 verurteilt wurden, einen Umfang von 30 Millionen Euro vor. Die Höhe der Entschädigung werde „immer auch vom konkreten Einzelfall abhängen“, sagte der SPD-Politiker der Süddeutschen Zeitung, „etwa der Dauer einer Freiheitsstrafe“. Homosexuelle Handlungen unter Männern waren in der DDR bis 1968 strafbar, im Westen bis 1969. Ganz abgeschafft worden ist der Paragraf 175 erst 1994. Die Koalition hat vereinbart, die bislang als vorbestraft geltenden Betroffenen zu rehabilitieren.
Der Gesetzentwurf, den der Justizminister noch für Oktober angekündigt hatte, sehe einen Individualanspruch vor, der „relativ unkompliziert“ geltend gemacht werden könne. Es werde aber auch eine Kollektiventschädigung geben, „um das Leid und Unrecht, das Einzelne erlitten haben, aufzuarbeiten und zu dokumentieren“. Maas rechnet damit, dass noch etwa 5.000 Menschen einen persönlichen Anspruch geltend machen könnten.
Zuletzt hatte auch die Unionsfraktion im Bundestag eine Rehabilitierung befürwortet und sich damit Forderungen von SPD und Grünen angeschlossen. „Für uns steht im Mittelpunkt, dass man diesen Makel, der einem Strafurteil innewohnt, für die Betroffenen aus der Welt schafft“, hatte Unionsfraktionsvize Stephan Harbarth (CDU) erklärt. „Das sollten wir zügig tun, da die Betroffenen vielfach ein hohes Alter haben und wir wünschen, dass sie ihre Rehabilitierung noch erleben.“ In Einzelfällen könne es Entschädigungen geben. Sie kämen aber nicht pauschal, sondern nur individuell in Betracht.
Ein Gutachten des Staatsrechtlers Prof. Martin Burgi im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hatte im Mai die kollektive Rehabilitierung der Betroffenen durch ein Aufhebungsgesetz empfohlen. Dies würde es den Opfern ersparen, in einer Einzelfallprüfung erneut mit der entwürdigenden Verletzung ihrer Intimsphäre konfrontiert zu werden. Die Entschädigung soll nach früheren Angaben über einen Fonds organisiert werden.
9 Oct 2016
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Union und SPD fädeln in die Jahrzehnte verspätete Wiedergutmachung eine ungeheure Unterstellung ein: dass alle Schwulen Päderasten seien.
Die Entscheidung der Bundesregierung, die nach §175 verurteilten Schwulen und Bisexuellen zu entschädigen, hat zu lange auf sich warten lassen.
Die britische Regierung will tausende homosexuelle und bisexuelle Männer posthum rehabilitieren. Bislang mussten sie eine Löschung ihrer Vorstrafen beantragen.
Tausende Opfer des bis 1969 gültigen Naziparagrafen sollen rehabilitiert werden. Das sagt ein Rechtsgutachten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
Weg mit dem Anti-Homo-Paragraphen 175: Das forderte schon im 19. Jahrhundert Karl Heinrich Ulrichs. Nun wurde er in Göttingen mit einer Gedenktafel geehrt.
Lange nach der NS-Zeit war Homosexualität geächtet und verfolgt. Wie Polizei, Justiz und Bevölkerung im angeblich liberalen Hamburg gegen Schwule vorgingen.