taz.de -- Vernichtete Unterlagen zum NSU: Bundesanwälte durften schreddern
Notizbuch weg? Kein Problem: Das Verbot, Unterlagen aus dem NSU-Komplex zu vernichten, gilt nicht für die Bundesanwaltschaft, sagt der Staatsanwalt.
München/Karlsruhe dpa | Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe wird kein Ermittlungsverfahren gegen Bundesanwälte [1][wegen der Vernichtung des Notizbuchs] eines mutmaßlichen NSU-Unterstützers einleiten. Das sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Tobias Wagner, am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Die beiden Nebenklage-Anwälte im NSU-Prozess, Mehmet Daimagüler und Seda Basay, hatten den Vorgang angezeigt.
Wagner sagte, es habe sich kein Anfangsverdacht für eine Straftat ergeben. Seine Behörde habe geprüft, ob gegen Mitarbeiter der Bundesanwaltschaft wegen Rechtsbeugung oder Strafvereitelung ermittelt werden müsse. Das sei aber nicht der Fall.
Die Vernichtung von Asservaten sei grundsätzlich rechtmäßig, wenn das betreffende Verfahren abgeschlossen sei. Das vom Bundesinnenministerium verhängte generelle Verbot, Unterlagen aus dem NSU-Komplex zu vernichten, gelte für die Bundesanwaltschaft nicht. „Es würde sich eher um eine Fahrlässigkeit handeln, die nicht strafbar ist“, sagte Wagner.
Das vernichtete Notizbuch gehörte einem Chemnitzer Neonazi, gegen den die Bundesanwaltschaft noch ein Ermittlungsverfahren führt. Sie geht dem Verdacht nach, er habe den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) unterstützt, für dessen überwiegend rassistisch motivierte Mordserie Beate Zschäpe angeklagt ist.
6 Oct 2016
LINKS
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Sieben vermeintliche Sicherheitsbehörden führten über 40 V-Männer und V-Frauen im Umfeld des NSU. Eine Übersicht über die brisantesten.
Seit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 2011 ihr Wohnmobil in Brand setzten, kam vieles ans Licht. Aber längst nicht alles, was es zu erfahren gäbe.
Ein Polizist will Beate Zschäpe im Jahr 2000 vor einer jüdischen Gemeinde in Berlin gesehen haben. Nun soll er im Münchner NSU-Prozess aussagen.
Die Familie eines NSU-Opfers zeigt Lothar Lingen wegen Strafvereitelung an. Er schredderte am Tag der NSU-Aufdeckung V-Mann-Akten.
Der Verfassungsschutz in Potsdam hat wohl Akten mit Hinweisen des V-Manns „Piatto“ geschreddert. Die Begründung dafür trifft auf Kritik aus dem Bundestag.
Nun ist klar: Beate Zschäpe wird zur Aufklärung des NSU-Terrors nichts beitragen. Für sie geht es nur noch um ein reduziertes Strafmaß.
Angehörige von drei NSU-Opfern erstatten Strafanzeige gegen die Bundesanwaltschaft: Diese soll trotz eines Moratoriums Akten geschreddert haben.