taz.de -- Pro Asyl über das Leben in Deutschland: „Der Nachzug wird verwehrt“

Günter Burkhardt von Pro Asyl rügt die verschlechterten Lebensbedingungen – auch für anerkannte Flüchtlinge aus Syrien und Eritrea.
Bild: Flüchtlinge sitzen nach ihrer Ankunft in Frankfurt am Main in einem Sonderzug. Nun geht das Leben in Deutschland erst los

taz: Herr Burkhardt, die Lebensbedingungen für Flüchtlinge in Deutschland verändern sich. Syrische Asylsuchende bekommen in Deutschland zu 70 Prozent nur noch den sogenannten subsidiären Schutz, das heißt, sie können ihre Familienangehörigen mindestens zwei Jahre lang nicht nachholen. Mit welchem Argument vergibt das Bundesamt für Migration diese Bescheide?

Günter Burkhardt: Bei den Syrern argumentiert das Bundesamt, dass das Assad-Regime jetzt Pässe ausstellt. Wer aber einen Pass von der Regierung bekommen habe, der könne doch nicht individuell verfolgt sein, heißt es. Ein falscher Rückschluss, denn das Regime verdient mit der Ausstellung der Pässe rund 470 Millionen Euro. Wer flieht, gilt als Oppositioneller und kann nicht zurück.

Den Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention bekommt man bei individueller Verfolgung, den subsidiären Schutz gibt es für Flüchtlinge, die vor Krieg und Terror in einer Region fliehen, der alle bedroht. Nicht nur die Syrer, auch ein Viertel der Eritreer erhält nur noch den subsidiären Schutz. Woher kommt diese Wende in der Anerkennungspolitik ?

Eritrea ist eine brutale Militärdiktatur, in der die Leute zum Militärdienst gezwungen werden, lebenslang. Bisher bekamen Eritreer den Flüchtlingsschutz. Jetzt sagt das Bundesamt, wer den Einberufungsbefehl zum Militär noch nicht habe, der sei doch noch gar nicht verfolgt. Also kriegen viele Eritreer auch nur noch den subsidiären Schutz. Dabei muss, wer eine begründete Furcht vor Verfolgung hat, den Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention bekommen.

Soll Deutschland mit den neuen, verschlechterten Bedingungen für den Familiennachzug unattraktiver werden für Asylsuchende?

Offensichtlich ja. Es gibt zunehmend Syrer, die nach Syrien zurückkehren und sagen, ich lass' meine Familie nicht allein, lieber sterben wir zusammen. Andere Flüchtlinge, die nur noch subsidiären Schutz haben, denken darüber nach, wie sie für ihre Familien das Geld für die Schlepper zusammenbekommen, weil ihnen die Rettung der Angehörigen über den normalen Familiennachzug verwehrt wird.

Verschärfen die Wohnsitzauflagen für anerkannte Flüchtlinge deren Lebensbedingungen?

Wohnsitzauflagen für anerkannte Flüchtlinge sind integrationsfeindlich. Die Leute wollen in der Nähe von Bekannten und Verwandten, von Landsleuten wohnen. Durch diese Netzwerke haben sie auch bessere Chancen auf Jobs. Es bringt überhaupt nichts, die Menschen in irgendwelche strukturschwachen Regionen zu verteilen.

Wie wird es weitergehen?

Wenn den Menschen der Schutz verwehrt wird, werden sie gegen ihre Bescheide klagen. Es droht eine Überlastung der Gerichte. Und vor allem: Die Menschen leben jahrelang in Unsicherheit.

1 Oct 2016

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Barbara Dribbusch

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