taz.de -- Das war die Woche in Berlin II: Gute Hetzer, schlechte Hetzer
Die Berliner AfD wirft einen ungeliebten Rechtsradikalen aus der Partei und nimmt einen prominenten Islamhasser auf. Wie passt das zusammen?
Was ist wichtiger für eine Partei, ihr Programm oder ihr Personal? Sicher Letzteres, zumal die Spitzenpolitiker die sichtbaren Positionen ihrer Partei festlegen. Erst recht gilt das für junge Parteien, die – jungen Menschen gleich – noch formbar sind.
Womit wir bei der Berliner AfD wären. Sie hat in der vergangenen Woche angekündigt, einen Nazi hinauswerfen zu wollen und einen Hetzer aufzunehmen. Wie passt das zusammen? Ganz einfach: Bei Letzterem geht die Parteiführung davon aus, dass er ihr nutzen wird; der andere hätte nur noch Schaden angerichtet.
Kay Nerstheimer hat eine tiefbraune jüngere Vergangenheit. Er war kurzzeitig Mitglied einer rechtsextremen Gruppe; er hat sich homophob und rassistisch geäußert. Und obwohl er bei den Abgeordnetenhauswahlen in Lichtenberg für die AfD ein Direktmandat holte und damit eine besondere demokratische Legitimation für seine politische Arbeit besitzt, hat die Berliner AfD-Führung um Georg Pazderski und Beatrix von Storch schon früh beschlossen, ihn loswerden zu wollen.
Erst musste der 52-jährige Nerstheimer auf die Mitgliedschaft in der AfD-Fraktion verzichten; am Montag wurde bekannt, dass der Vorstand ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn angestrengt hat. Nerstheimers politische Position widerspreche der „Linie der AfD“, begründete dies ihr Sprecher.
Ganz anders Nicolaus Fest, Sohn des einstigen FAZ-Herausgebers Joachim Fest und früherer Vizechef der Bild am Sonntag. Er hatte den Springer-Verlag vor zwei Jahren nach einer Hetzschrift gegen den Islam verlassen. Während seiner Vorstellung mit viel Gloria als Neumitglied am Donnerstag erklärte Fest, der Islam sei „weniger eine Religion als eine totalitäre Bewegung“, vergleichbar mit dem Nationalsozialismus. Deren „Ausübung“ müsse verhindert werden, alle Moscheen als Symbol dieser „Ideologie“ gehörten geschlossen.
Mit dieser Propaganda liegt Fest ganz auf der Linie der christlich-fundamentalistischen von Storch und ist nur einen Hauch von Bundesparteichefin Frauke Petrys „völkisch“ entfernt. Rassenhass verkauft sich, so offenbar die Meinung der Partei, eben besser, wenn er als Religionshass verkleidet daherkommt.
Nicolaus Fests Ziel dürfte ein Bundestagsmandat 2017 sein, gemeinsam mit von Storch. Nerstheimer wird derweil als Hinter- und Einzelbänkler ab und an im Berliner Abgeordnetenhaus herumsitzen.
8 Oct 2016
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