taz.de -- Kolumne Pressschlag: Kühne Träume von der Agenda 2020
Rom hat seine Bewerbung für Olympia 2024 wieder zurückgezogen. Das zeigt, dass kaum einer an die vom IOC eingeleiteten Reformen glaubt.
Da waren es plötzlich nur noch drei. Roms Bürgermeisterin [1][Virginia Raggi hat die Bewerbung für die Olympischen Sommerpiele 2024] wegen der immens hohen Kosten für die Stadt abgelehnt. Olympia sei „ein Albtraum“. Nach dem Rückzug von Boston und Hamburg sind jetzt nur noch Los Angeles, Paris und Budapest im Rennen.
Aber wie ist das nur möglich? Kann sich denn niemand mehr an das vom Internationalen Olympischen Komitee mit großem Tamtam angekündigte Reformwerk erinnern? An die Agenda 2020, die stolze 20+20 Reformpunkte beinhaltete? An das so angepriesene Dokument, das IOC-Chef Thomas Bach im Eiltempo 15 Monate nach seinem Amtsantritt im Dezember 2014 erfolgreich zur Abstimmung gebracht hatte und gerührt hinterher bekannte: „Das habe ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können.“
Flexibler, nachhaltiger, bescheidener, kostengünstiger sollten die Olympischen Spiele werden und deren Vergabe einfacher und transparenter. Spätestens nachdem im Bewerbungsverfahren zu den Winterspielen 2022 reihenweise die Kandidaten aus demokratischen Ländern (Graubünden, München, Stockholm, Lemberg, Krakau, Oslo) absprangen, und nur noch China und Kasachstan verblieben, präsentierten sich die IOC-Funktionäre als leidenschaftliche Reformer. Und die einst fünf Bewerberstädte für die Spiele 2024 galten ihnen als früher und erster Beleg, wie schnell ihre Reformbemühungen fruchteten.
Roms Absage, die dritte bereits, die bei den Olympia-Geschäftemacher für die Spiele 2024 eingegangen ist, muss wiederum als deutliches Signal verstanden werden, dass die Agenda 2020 nur noch als Papiertiger wahrgenommen wird und keiner ernsthaft an Reformbestrebungen des IOC glaubt, die zu Lasten der eigenen Einnahmequellen gehen könnten. Thomas Bach hat wohl doch etwas zu kühn geträumt.
22 Sep 2016
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