taz.de -- Bundesweite Gentechnikverbote: Denn Pollen können fliegen
Ein Gesetzentwurf der großen Koalition sieht vor, dass gentechnisch veränderte Pflanzen deutschlandweit untersagt werden können.
Berlin taz | Die Bundesregierung hat sich auf einen Gesetzentwurf für nationale Anbauverbote von Gentechnik-Pflanzen geeinigt. Anders als zunächst von Agrarminister Christian Schmidt (CSU) angestrebt, sollen die Verbote grundsätzlich vom Bund erlassen werden. Nur wenn es unter den Bundesländern dafür keine Mehrheit gibt, dürfen dem Plan zufolge auch einzelne Landesregierungen Pflanzen auf ihrem Gebiet untersagen. Das SPD-geführte Umweltministerium bestätigte der taz am Donnerstag, dass die Ministerien einen Kompromiss gefunden hätten. Das wichtigste Argument für bundesweite Verbote ist, dass Pollen auch Ländergrenzen überwinden.
Das geplante Gesetz soll eine Richtlinie der Europäischen Union umsetzen. Sie erleichtert Mitgliedstaaten, auf ihrem Territorium Pflanzen zu verbieten, die Brüssel zugelassen hat. Manche Umweltschützer befürchten jedoch, dass die Regierungen wegen dieser Möglichkeit ihre Blockade neuer EU-weiter Zulassungen aufgeben.
Der Entwurf der Bundesregierung sieht ein zweistufiges Verfahren für ein nationales Verbot vor: Wenn so viele Länder, wie für eine absolute Mehrheit im Bundesrat erforderlich, dafür sind, soll das Agrarministerium „im Einvernehmen“ unter anderem mit dem Forschungsressort zunächst den Saatguthersteller bitten, in seinem Zulassungsantrag Deutschland auszunehmen. Macht der Hersteller das nicht, soll die Bundesregierung ein Verbot per Verordnung erlassen, die die Zustimmung des Bundesrats benötigt. Dafür müssen etwa „umweltpolitische“, „agrarpolitische“ oder sozioökonomische Gründe vorliegen.
Bislang mussten sich die Regierungen der EU-Staaten bei Verboten auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse über Gefahren für Gesundheit oder Natur berufen. Studien, wonach Gentechpflanzen zum Beispiel Krebs verursachen oder Schmetterlinge töten, sind aber umstritten.
Forschungsministerium muss zustimmen
„Mit diesem Gesetzentwurf dürften erleichterte Anbauverbote in ganz Deutschland unmöglich sein“, sagte Heike Moldenhauer, Gentechnik-Expertin des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der taz. Sie kritisierte insbesondere, dass das Gentechnik-freundliche Forschungsministerium zustimmen müsse. „Dieses Ministerium wird immer nein sagen. Damit ist ein bundesweites Verbot gestorben“, so Moldenhauer.
Ob die EU-Länder wegen der erleichterten nationalen Anbauverbote nun tatsächlich europaweite Anbauzulassungen durchwinken werden, könnte sich schon kommenden Monat zeigen: Dann sollen die Staaten über drei gentechnisch veränderte Mais-Linien beraten. Das zuständige deutsche Agrarministerium wich auf die Frage der taz nach seiner Position aus.
6 Oct 2016
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