taz.de -- Kommentar Abtreibungsverbot in Polen: Kaczyńskis Sinneswandel

Polens Parlament lehnt das totale Abtreibungsverbot ab. PiS-Chef Kaczyński fürchtete nicht nur den Protest, sondern eine Spaltung seiner Partei.
Bild: Der Aufruhr in der PiS-Partei steigerte sich zum Tumult, dann trat man den Rückzug an

Polens Frauen können aufatmen. Am Donnerstag lehnte Polens Parlament einen Gesetzesentwurf für ein totales Abtreibungsverbot [1][mit großer Mehrheit ab]. Das ist ein erster großer Erfolg der außerparlamentarischen Opposition, die seit Monaten gegen die regierende nationalpopulistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) protestiert.

Noch vor einer Woche hatten dieselben Abgeordneten das Projekt mit großer Mehrheit angenommen. Nach dem „schwarzen Montag“ mit Massenstreiks und Demonstrationen im ganzen Land änderten sie ihre Meinung. Beides Mal auf Weisung des mächtigsten Mannes im Lande, des PiS-Chefs Jarosław Kaczyński.

Der rasche Sinneswandel Kaczyńskis hat nicht nur mit der offenen Warnung der Frauen zu tun, notfalls die Regierung zu stürzen. Es droht ihm auch eine Spaltung der eigenen Partei. Die Hardliner, darunter Polens Außenminister, ätzten über den „seltsamen Aufzug“ der schwarz gekleideten Frauen, bezweifelten, dass die Demonstrantinnen in der Lage seien, ernsthaft über Fragen wie „Leben und Tod“ zu sprechen – oder spekulierten wie der Warschauer Erzbischof über den Stress bei einer Vergewaltigung, der eine Frau angeblich vor ungewollter Schwangerschaft schütze.

Das war zu viel. Auch den PiS-Frauen kochte die Galle hoch. Sie waren nicht bereit, die Verachtung des Außenministers länger zu ertragen. Der Aufruhr in der Partei steigerte sich zum Tumult. Kaczyński lenkte ein und trat den Rückzug an.

Doch die Ruhe, die nun möglicherweise eintritt, wird nicht von langer Dauer sein. Denn die PiS will schon bald ein eigenes Gesetz einbringen, das das „ungeborene Leben“ besser schützen soll als bisher. Dann geht der Ärger von vorne los. Doch die „Polinnen in Schwarz“ lassen sich keinen weiteren Entmündigungsversuch gefallen. Der schwarze Montag hat ihnen ein neues Selbstbewusstsein gegeben. „Wir sind der Souverän“, so lautet jetzt eine beliebte Parole.

6 Oct 2016

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Gabriele Lesser

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