taz.de -- Kommentar Krieg in Syrien: Ein neuer Tiefpunkt

Die Luftangriffe der vergangenen Tage haben den Zusammenbruch der Waffenruhe besiegelt. Haben die USA und Russland die Kontrolle verloren?
Bild: Ein Laster des Hilfskonvois in Aleppo am Morgen nach dem Luftangriff

Stephen O’Brien, Chefkoordinator für die humanitären Einsätze der UNO, hat völlig recht. Für den feigen und tödlichen Luftangriff auf einen Hilfskonvoi nahe Aleppo „gibt es keine Erklärung und keine Entschuldigung, keinen Grund und keine Rechtfertigung“.

Doch die von O’Brien geforderte Untersuchung dieses Kriegsverbrechens dürfte – falls sie denn überhaupt stattfindet – nach allen bisherigen Erfahrungen mit ähnlichen Vorfällen der letzten Jahre in Syrien, im Irak oder in Afghanistan wahrscheinlich im Sande verlaufen.

Ob der Angriff auf die klar und auch aus großer Höhe gut erkennbar als Hilfskonvoi markierten Lastwagen gezielt erfolgte oder ein Versehen war, ob syrische oder russische Kampfflugzeuge die Bomben abwarfen – all das wird wahrscheinlich nie beweiskräftig geklärt werden. Dasselbe gilt für den ebenfalls tödlichen Luftangriff der US-geführten Koalitionsstreitkräfte zur Bekämpfung des „Islamischen Staats“ auf syrische Regierungsstreitkräfte vom letzten Freitag.

Haben, wie manche spekulieren, auf der einen Seite Präsident Assad ohne Zustimmung Moskaus und auf der anderen Seite die Militärs im Pentagon an Obama vorbei die beiden Luftangriffe angeordnet, um die zwischen den Außenministern Kerry und Lawrow vereinbarte Waffenruhe zu torpedieren? Der eine, weil er weiterhin den militärischen Sieg anstrebt? Die anderen, weil sie die geplante militärische Zusammenarbeit mit Russland bei der Bekämpfung des IS nicht wollen?

Der Krieg geht weiter

Fakt ist: Die beiden Luftangriffe haben den Zusammenbruch der Waffenruhe besiegelt. Und sie markieren einen neuen Tiefpunkt der Beziehungen zwischen Washington und Moskau seit Ende des Kalten Krieges.

Beide Großmächte haben ihre im Rahmen der Genfer Vereinbarung gemachten Zusagen nicht erfüllt. Entweder weil sie nicht wollten oder – was noch schlimmer wäre – weil sie ihre jeweiligen Verbündeten im Syrienkonflikt nicht (mehr) unter Kontrolle haben.

Für Syrien ist damit die Fortsetzung des Krieges und des Leidens der Bevölkerung um zumindest viele Monate programmiert. Im Ukrainekonflikt und bei anderen bilateralen Streitpunkten zwischen den USA und Russland droht eine Eskalation. Zur Hoffnung auf eine Verbesserung der Beziehungen nach einem Amtsantritt von PräsidentIn Trump oder Clinton in Washington gibt es leider keinen Anlass.

20 Sep 2016

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Andreas Zumach

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