taz.de -- Experiment in Finnland: Ein Häppchen Grundeinkommen

2.000 Arbeitslose sollen für zwei Jahre 560 Euro im Monat bekommen. Das Mini-Grundeinkommen sei eine Mogelpackung, kritisieren Linke.
Bild: Riesenplakat in Berlin: „Was würdest Du tun, wenn für Dein Einkommen gesorgt wäre?“

Helsinki taz | Der finnische Pilotversuch mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen rückt einer Verwirklichung näher. Nach monatelangen Vorarbeiten hat das Sozialministerium einen Gesetzentwurf für eine zweijährige Testperiode vorgelegt. Die Anhörungsphase endet an diesem Freitag. Segnet das Parlament den Entwurf ab – und das scheint sicher –, würde damit ein zentraler Punkt aus dem Regierungsprogramm der Koalition von Rechtsliberalen, Konservativen und den rechtspopulistischen „Wahren Finnen“ verwirklicht.

Es soll ein Miniversuch werden – sowohl von der Teilnehmerzahl als auch von der Höhe her: 2.000 zufällig ausgewählte Arbeitslose bekommen steuerfrei 560 Euro im Monat. Gleichzeitig werden ihnen die bisherigen Bezüge aus der Arbeitslosenversicherung gestrichen. Sollten sie in der zwei Jahre langen Testperiode einen Job finden, wird das Grundeinkommen zusätzlich ausbezahlt.

Der Versuch soll klären, ob die Grundeinkommen-Versuchspersonen in höherem oder geringerem Maße eine neue Anstellung erhalten als eine gleich große, ebenfalls zufällig ausgewählte Kontrollgruppe, die weiterhin die üblichen Sozialleistungen bezieht. Beim finnischen Grundeinkommen-Modell handelt es sich also vor allem um einen Test, ob eine pauschalisierte und bedingungslose Sozialleistung geeignet sein könnte, Anreizfallen in der sozialen Sicherung auszuschalten und die Bürokratie zu vereinfachen.

Viele Kritiker halten das Experiment für die Klärung dieser Fragen aber für ungeeignet. Wolle man einen Anreiz schaffen, bei dem sich es sich immer lohnen würde, zusätzlich zum Grundeinkommen eine Arbeit anzunehmen, müsste dieses nicht auf dem jetzigen Mininiveau, sondern bei über 750 Euro liegen, hat beispielsweise der Gewerkschaftsverband SAK ausgerechnet.

Grüne und Linke, die in Finnland schon in den 1980er Jahren die Debatte über ein Grundeinkommen gestartet hatten, sehen den Grundeinkommen-Versuch als Mogelpackung. So wie der Test angelegt sei, trage er den Keim zu einem weiteren Sozialabbau in sich, schaffe allenfalls die Möglichkeit, den bereits großen Niedriglohnsektor weiter auszubauen, und drohe die Tarifautonomie und die Stellung der Gewerkschaften zu schwächen, erklärten sie.

Ein solches Grundeinkommen suche private Lösungen da, wo gemeinsame gefragt seien, und es sei „eine aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanzierte Subvention der Arbeit“, kritisiert auch Sten Gellerstedt, Professor für Arbeitswissenschaft an der nordschwedischen TU Luleå: „Es wird dazu führen, dass die Löhne noch mehr gedrückt werden können und ein Teil des Grundeinkommens damit in den Taschen der Kapitaleigentümer landet.“

7 Sep 2016

AUTOREN

Reinhard Wolff

TAGS

Bedingungsloses Grundeinkommen
Finnland
Arbeitslosigkeit
Grundeinkommen
Bedingungsloses Grundeinkommen
Bedingungsloses Grundeinkommen
Bedingungsloses Grundeinkommen
Margaret Thatcher
Bedingungsloses Grundeinkommen
Bedingungsloses Grundeinkommen
Bedingungsloses Grundeinkommen
Bedingungsloses Grundeinkommen

ARTIKEL ZUM THEMA

Finnland erprobt das Grundeinkommen: Arbeiten lohnt sich wieder!

2.000 Arbeitslose erhalten pro Monat 560 Euro und können damit machen, was sie wollen. Für Juha, Tuomas und Marin hat sich viel verändert.

Victoria Meneses über Grundeinkommen: „Wir führen keine Modelldiskussion“

Die Spitzenkandidatin der Partei für Grundeinkommen über Existenzängste, Karrierewünsche und Koalitionsgedöns.

Grundeinkommen in Finnland: 560 Euro im Monat für lau

Kritik am Zwang: 2.000 Menschen müssen ab 1. Januar am Experiment eines Grundeinkommens teilnehmen, ob sie wollen oder nicht.

Kommentar Grundeinkommen Finnland: Übertriebene Heilserwartungen

Die an das bedingungslose Grundeinkommen geknüpften Hoffnungen könnten enttäuscht werden. Denn es bringt auch Gefahren mit sich.

Anthony Atkinsons Buch „Ungleichheit“: Den Thatcherism reparieren

10.000 Euro vom Staat, zumindest für Kinder ohne reiche Eltern. Das fordert Ungleichheitsforscher Anthony Atkinson in seinem neuen Buch.

Mit großer Mehrheit: Schweiz lehnt Grundeinkommen ab

In der Schweiz wird es kein bedingungsloses Grundeinkommen geben. 78 Prozent entschieden sich am Sonntag bei einer Volksabstimmung dagegen.

Bezieherin von Grundeinkommen: Die erstaunliche Wirkung von Geld

Grundeinkommen abgreifen und dann Florida-Rolf werden? Von wegen. Katrin Klink nutzt ihr gewonnenes Geld, um mehr zu arbeiten als vorher.

Initiator über Grundeinkommen: „Weder spektakulär noch radikal“

Die Schweiz stimmt über das bedingungslose Grundeinkommen ab. Mitinitiator Enno Schmidt über die Zukunft der Ökonomie und die Gegenwart der Kunst.

Bedingungsloses Grundeinkommen: Bürokratieabbau und Niedriglöhne

Die Stadt Helsinki will mit einem Pilotversuch das bedingungslose Grundeinkommen testen. Es gibt Kritik von links.