taz.de -- Kommentar Wikileaks: Alles muss raus

Der Niedergang einer guten Idee: Die Whistleblower von Wikileaks um Julian Assange entfernen sich immer weiter von ihren Idealen.
Bild: Da wird das Blickfeld schnell eng: die ecuadorianische Botschaft in London, in der Assange weilt

Schön blöd für Julian Assange: Auf die jüngsten Veröffentlichungen seiner Plattform Wikilekas springt – mangels politischer Relevanz – kaum jemand an. Dafür muss er sich jetzt mit der Presse rumärgern: Die Nachrichtenagentur AP [1][wirft Wikileaks in dieser Woche vor,] in Leaks der letzten Zeit sensible Informationen über Privatpersonen nicht geschwärzt zu haben.

Darunter – vor allem bei Veröffentlichungen aus Saudi-Arabien – Berichte über Vergewaltigung und Homosexualität, über HIV-Erkrankungen, den Jungfrauenstatus zukünftiger Bräute und Sorgerechtsstreitigkeiten. Vorwürfe, die Wikileaks in seinem Twitter-Account [2][als „lächerlich“ abtat.] Ohne sie inhaltlich zu entkräften.

Wikileaks, das war einmal eine Plattform, die in ihren besten Tage die Mächtigen der Welt ordentlich ins Schwitzen brachte. Wikileaks, das war einmal der Traum von Transparenz, die die Welt verändern könnte. Zum Besseren.

Heute ist Wikileaks eher ein Beispiel für den Niedergang einer guten Idee. Als Posterboy der einst hehren Ziele von Wikileaks sitzt Julian Assange seit vier Jahren in einem Zimmerchen in der ecuadorianischen Botschaft in London. Von dort aus zieht er nach Kräften alle Fäden, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Ist doch Öffentlichkeit das, was ihn noch am besten schützt.

So befeuert er munter Verschwörungsplots und scheint inzwischen hastig und wahllos alle Dokumente rauszuhauen, deren er habhaft werden kann. Ob es nun um Material geht, das [3][Hillary Clinton schaden soll], oder um belanglose AKP-Mails, die im Übrigen auch noch Malware auf die Rechner derer streuten, die sie lasen.

Schon in besseren Tagen glänzte Wikileaks nicht gerade mit sorgfältigem Redigieren seiner gigantischen Quellenhaufen. Nur kommt eben mit großen, angeblich wichtigen Datenhaufen immer auch große Verantwortung. Je weniger sich Wikileaks darum schert, welche Kollateralschäden seine Veröffentlichungen anrichten, desto hohler klingen die Phrasen von den einstigen Zielen der Organisation.

Je nötiger es aber für Assange wird, im Gespräch zu bleiben, desto mehr wird Wikileaks zum PR-Organ. Zur Selbstverteidigungsplattform eines einzigen Mannes. Zulasten derer, die den Luxus der Popularität nicht genießen.

28 Aug 2016

LINKS

[1] http://bigstory.ap.org/article/b70da83fd111496dbdf015acbb7987fb/private-lives-are-exposed-wikileaks-spills-its-secrets
[2] https://twitter.com/wikileaks/status/768041458624528385
[3] https://twitter.com/wikileaks/status/769222432410533888

AUTOREN

Meike Laaff

TAGS

Julian Assange
Wikileaks
Saudi-Arabien
Hillary Clinton
US-Wahl 2024
Julian Assange
Wikileaks
Julian Assange
Wikileaks
Pressefreiheit in der Türkei
Asterix

ARTIKEL ZUM THEMA

Wikileaks' Rolle im US-Wahlkampf: Wie Assange sich auf Clinton stürzt

Wikileaks enthüllt immer neue Informationen über die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten. Clintons Rivale Trump wird geschont.

Zehn Jahre Wikileaks: Assange kündigt neue Coups an

Viele hatten erwartet, dass Wikileaks-Gründer Assange am Dienstag eine große Enthüllung über Hillary Clinton veröffentlicht. Doch blieb es bei Ankündigungen.

Vorwürfe gegen Wikileaks: Von Russland informiert?

Die Bundesregierung geht davon aus: Wikileaks hat sich für russische Propaganda missbrauchen lassen. Assange will den Vorwurf nicht auf sich sitzenlassen.

Haftbefehl gegen Assange bleibt bestehen: „Gefangen“ in der Botschaft

Seit vier Jahren lebt Assange in der ecuadorianischen Botschaft in London. Der Haftbefahl aus Schweden bleibt auch weiterhin bestehen.

Kommentar Wikileaks: Die großen Zeiten sind vorbei

Wikileaks’ unkuratierte Veröffentlichung von Daten gefährdet Privatpersonen. Und die brisanten Leaks der letzten Jahre machten andere.

Wikileaks veröffentlicht AKP-Daten: Türkisches Mail-Manöver

Mit bis zu 300.000 geleakten AKP-Mails ruft Wikileaks zum Infokampf auf. Die Regierung blockiert den Zugriff.

Asterix-Comic ist Bestseller 2015: Sieg über Fifty Shades of Grey

Mit 1,6 Millionen Exemplaren ist der Asterix-Comic „Der Papyrus des Cäsar“ das bestverkaufte „Buch“ Frankreichs im Jahr 2015. Aber – wie kommt das?