taz.de -- Asterix-Comic ist Bestseller 2015: Sieg über Fifty Shades of Grey

Mit 1,6 Millionen Exemplaren ist der Asterix-Comic „Der Papyrus des Cäsar“ das bestverkaufte „Buch“ Frankreichs im Jahr 2015. Aber – wie kommt das?
Bild: Schon über 50, aber immer noch erfolgreich: Asterix und Obelix.

Die Gallier gewinnen wieder. Gegen die Römer – das ist klar. Aber auch, und das ist fast noch besser, gegen den Buchmarktmainstream. Obwohl der neue Band der Asterix-Reihe „Der Papyrus des Cäsar“ erst im Oktober erschien, wurden in Frankreich mehr als 1,6 Millionen Exemplare verkauft. Damit landet der Comic auf dem ersten Platz der französischen Bestsellerliste 2015 – noch vor „Grey“ aus der Reihe „Shades of Grey“. Der zweitplatzierte Erotikroman ging „nur“ 624.600 Mal über den Ladentisch oder in den Online-Warenkorb.

Das Magazin Livres Hebdo veröffentlichte die mit dem Marktforschungsinstitut GfK erhobenen Zahlen am Donnerstag. In Deutschland wäre das wohl undenkbar – ein Comic als bestverkauftes „Buch“ des Jahres. In Frankreich hingegen gelten Comics glücklicherweise als ernstzunehmende Literatur. 2015 erschienen 5.255 Comics im französischsprachigen Raum.

Natürlich steht hinter den Asterix-Bänden mittlerweile ein Star-Wars-ähnliches Merchandising: Asterix-Filme, Asterix-Fernsehwerbung, Asterix-Freizeitparks, Asterix-Autoaufkleber und -Schlüsselanhänger. Und selbst der Titel beginnt nicht zufällig mit einem „A“. Am Anfang des Alphabets stehend, steht der Comic auch zu Beginn von Comiclexika und Buchlisten.

Die nischigen Bücher aus Bildern, aus Sprech- und Gedankenblasen sind aber zudem tief im französischen Selbstverständnis verwurzelt. So auch die erstmals 1959 erschienen Comic-Hefte über ein kleines Dorf im Nordwesten Galliens (heute Frankreich) im Jahr 50. v. Chr., das dank seines Zaubertranks über den römischen Besatzer Julius Cäsar siegt. Das 36. Abenteuer von Asterix und Obelix stammt von Jean-Yves Ferri (Text) und Didier Conrad (Zeichnungen). Die beiden übernahmen die Reihe 2013 von Asterix-Erfinder Albert Uderzo.

Schön hintersinnig

Auch in „Der Papyrus des Cäsar“ wird hintersinnig auf den sozialen und politischen Alltag der Franzosen verwiesen – und auf internationale Geschehnisse: Der aktuelle Band handelt von Cäsars realem literarischen Werk „De bello Gallico“, in dem der Feldherr seine Siege über Gallien beschreibt. Im Comic gibt es jedoch ein weiteres fiktives Kapitel mit dem Titel „Rückschläge im Kampf gegen die unbeugsamen Gallier in Aremorica“ – hier wohnen Asterix und Obelix. Auf den Rat seines Verlegers Syndicus wird Cäsars Niederlage jedoch aus dem Buch gestrichen. Woraufhin eine Abschrift des Kapitels heimlich von Polemix, Kolporteur der Zeitung Gallische Revue, in Sicherheit gebracht wird. Dabei wird er von Rom überwacht, mit Hilfe eines diffizilen Nachrichten-Netzes aus Brieftauben.

Das erinnert ans Internet und an NSA-Methoden. Ebenso wie Syndicus parodistisch auf Jacques Séguéla anspielt, den zweifelhaften Medien- und Imageberater des ehemaligen französischen Präsidenten François Mitterrand. Und die Figur des auf eine große Story hoffenden Journalisten Polemix weist (auch optisch) viel Ähnlichkeit mit dem Wikileaks-Whistleblower Julian Assange auf. Und dann gibt es natürlich die Gallier: eine Gesellschaft, die sich wehrt.

Dieses doppelbödige, satirische Erzählen in Bildern hat eine lange Tradition in Frankreich. Schon in der Nachkriegszeit, in der De-Gaulle-Ära, griffen Comics solche realen Phänomene wie den zentralen, französischen Entstehungsmythos auf: Trotz Niederlage habe es nie eine vollständige Kapitulation Frankreichs gegeben.

Und brachen die historischen Ereignisse damit ironisch im Sinne einer kritischen Gesellschaft, wie es nur der Comic mit seiner ganz eigenen Sprache, seinem eigenen Witz und dem Moment der Überzeichnung kann. So auch bei Asterix: Gegen die Großen – sei es in der Politik oder auf dem Buchmarkt.

22 Jan 2016

AUTOREN

Christine Stöckel

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