taz.de -- Kolumne American Pie: Verloren in der Tiefe

Die Ausnahmebasketballspielerin Candace Parker wurde nicht für die Olympischen Spiele in Rio nominiert. Das befördert Verschwörungstheorien.
Bild: 1,93 Meter groß: Flügelspielerin Parker, einer der hellsten Sterne am Himmel des Frauenbasketballs

Da war sie wieder, die Rede von der Tiefe. „Das war ein ganzes Stück Arbeit,“ sagt Geno Auriemma nach dem 104:89-Sieg seiner Mannschaft. Gerade hatte das von ihm trainierte US-Frauen-Basketball-Nationalteam Australien geschlagen. Das Spiel am vergangenen Sonntag im Madison Square Garden in New York war der letzte Test vor Beginn der Olympischen Spiele. „Wir wurden richtig gefordert“, analysiert Auriemma erleichtert. Und: „Unsere Tiefe hat sich wieder einmal ausgezahlt.“

Tiefe, immer wieder Tiefe. Auch nach dem ersten Spiel der US-Basketball-Frauen am Sonntag in Rio gegen Senegal wird der 62-jährige, stets makellos frisierte Auriemma wieder von ihr sprechen. Die Mannschaft ist wie gewohnt der Top-Favorit auf den olympischen Finalsieg, alles andere als die dann bereits achte Goldmedaille wäre eine Überraschung. Der Kader ist wie immer eine Ansammlung der besten Spielerinnen der Welt, wie das mit NBA-Stars geschmückte Aufgebot der Herren das Maß aller Dinge.

Doch während bei denen die ganz großen Namen wie LeBron James, Stephen Curry oder Chris Paul zwangsweise entweder verletzt oder entkräftet nach der langen Saison fehlen, wurde beim sperrig benannten „USA Basketball Women’s National Team“ ein Publikumsmagnet einfach übergangen: Candace Parker von den Los Angeles Sparks wird in Brasilien nicht spielen.

Eine Entscheidung, die seit ihrer Bekanntgabe vor Wochen noch immer erregt diskutiert wird von Experten und Fans – und den mächtigen Landesverband USA Basketball in die Defensive drängt. Die von ihm angegebenen Gründe sind dürftig.

„Das passiert eben bei der Anzahl an hervorragenden Spielerinnen, die wir aktuell haben“, erklärt Auriemma Parkers Nichtnominierung. „Früher hatten wir Schwierigkeiten, überhaupt zwölf so hochtalentierte Akteurinnen zusammenzukriegen.“ Die 1,93 Meter große Flügelspielerin Parker ist einer der hellsten Sterne am Himmel des Frauenbasketballs, hoch dekoriert.

Auszeichnung zur wertvollsten Spielerin

Bereits 2008 und 2012 war die 30-Jährige Teil der Mannschaften, die sich überlegen die Goldmedaillen erspielten. Zwei Mal bereits erhielt sie die Auszeichnung zur wertvollsten Spielerin der WNBA. Auf dem Papier entscheidet zwar ein spezielles Komitee über das Aufgebot. Dass ein Trainer von Auriemmas Kaliber aber doch ein großes Wörtchen mitredet, gilt unter Kennern als offenes Geheimnis.

2009 wurde Auriemma Head Coach der Nationalmannschaft, parallel zu seiner Arbeit an der renommierten Universität von Connecticut, deren Frauen-Team er schon seit 1985 vorsteht. Elf Mal konnten die „Huskies“ mit ihm bereits die College-Meisterschaft gewinnen, zuletzt vier Mal in Folge. Viele Spielerinnen haben es in die Weltspitze geschafft.

Gerade hier sehen Kritiker Angriffsfläche, spekulieren, Parkers große Zeit an der rivalisierenden Universität von Tennessee könnte nun letztlich den Ausschlag gegen sie gegeben haben. Gleich fünf ehemalige Connecticut-Spielerinnen stehen dagegen im Olympia-Kader, 2012 waren es sogar sechs. Wildere Theorien machen Ausrüster Nike verantwortlich – Parker hat als einziger großer Name einen Werbevertrag mit Konkurrent Adidas.

Die drei ihr auf den „großen Positionen“ letztlich vorgezogenen Spielerinnen Brittney Griner, Elena Delle Donne und Breanna Stewart indes haben – zusammen – weniger internationale Partien absolviert als Parker. Alle drei sind junge Stars und neu bei Olympia. „Sportlich haben es alle diese Spielerinnen verdient“, sagt Frauen-Basketball-Expertin Mechelle Voepel vom US-Sportsender ESPN. „Wenn es allerdings um viel zitierte Kriterien wie Erfahrung und Vielseitigkeit geht, hätte kein Weg an Parker vorbeiführen dürfen.“

„Candace wird das nur noch weiter motivieren. Sie wird wieder zurückkommen“, meint die erfahrene Nationalspielerin Tamika Catchings, die Parker gerne ihre „kleine Schwester“ nennt. Bis zur olympiabedingten Spielpause der Liga war sie in bestechender Form, führte L.A. zu 21 Siegen aus 24 Spielen. „Wir sprechen nicht über Einzelheiten des Nominierungsprozesses“, sagt auch Nationalmannschaftsdirektorin Carol Callan. „Allerdings ist klar: Wir schätzen Candace sehr. Es war keine einfache Entscheidung.“

Und natürlich: „Unser Kader ist eben enorm tief.“

2 Aug 2016

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David Digili

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