taz.de -- Kommentar Muslime im US-Wahlkampf: Trump, eine reale Gefahr

Mit der Beleidigung der Familie eines getöteten Soldaten ist Trump zu weit gegangen. Die Affäre zeigt, wie wenig Respekt und Anstand noch zählen.
Bild: Trump hat schlecht über eine „Gold Star Family“ gesprochen: die Khans, deren Sohn im Irak getötet wurde

Es scheint, als ob Donald Trump diesmal zu weit gegangen ist. Seine [1][beleidigenden Äußerungen] gegen das Ehepaar Khizr und Ghazala Khan haben in den USA einen Sturm der Kritik entfacht – ungewohnt für den Kandidaten, der sich bislang jeden Fehltritt erlauben konnte, ohne dass es ihm geschadet hätte.

Nicht nur politische Gegner aus dem Demokratischen Lager kritisieren Trump, [2][auch republikanische Parteifreunde] gehen zu ihm auf Distanz.

Nicht seiner andauernden rassistischen und islamophoben Beleidigungen wegen steht Trump jetzt in der Kritik. Die sind im Gegenteil Grundbestandteil seiner Kandidatur und haben ihm sogar geholfen, bei den republikanischen Vorwahlen den Sieg davonzutragen.

Jetzt aber hat der Kandidat an einem Tabu gerührt: Er hat es gewagt, schlecht über eine „Gold Star Family“ zu reden – eine Familie also, deren Sohn als US-Soldat im Krieg getötet wurde. Captain Humayun Khan war 2004 im Irak ums Leben gekommen.

Ständige kollektive Beleidigung

Es stößt bitter auf, dass es eines solchen Schicksals bedarf, um als (muslimisches) Individuum in Schutz genommen zu werden, während die Öffentlichkeit die ständige kollektiven Beleidigung einer Religionsgemeinschaft akzeptiert. Die Khan-Affäre zeigt, wie weit sich der öffentliche Diskurs inzwischen von Grundregeln des Respekts, der Toleranz und des Anstands entfernt hat. Und das nicht nur in den USA.

Es zeigt aber auch, wie vollkommen daneben all jene liegen, die derzeit Leserkommentarspalten auf Newsseiten – auch bei taz.de – mit der Ansicht füllen, es sei vollkommen egal, ob nun Trump oder Clinton die Wahl gewännen, es werde sich ohnehin nichts ändern. Und man solle am besten Jill Stein von den Grünen die Stimme geben. Die sei die einzige, die nach Bernie Sanders' Ausscheiden noch ein linkes Programm habe.

Das gleiche Argument, die beiden großen Parteien seien doch gleichermaßen von Lobbyinteressen unterwandert, brachte bei der Wahl 2000 George W. Bush an die Macht, weil der Grüne Kandidat Ralph Nader dem demokratischen Kandidaten Al Gore die entscheidenen Stimmen wegnahm.

Wer im Nachhinein, nach Afghanistan- und Irakkrieg, nach CIA-Geheimgefängnissen, Folter und Guantánamo meint, das sei unwichtig gewesen, ist nicht ganz bei Trost. Es wäre schön, wenn angesichts der realen Gefahr, die von Donald Trump ausgeht, nicht erst wieder hinterher bemerkt würde, dass es eben nicht egal ist.

2 Aug 2016

LINKS

[1] /Nach-Auftritt-auf-Demokraten-Parteitag/!5328400
[2] http://www.nytimes.com/2016/08/02/us/politics/john-mccain-denounces-donald-trumps-comments-on-family-of-muslim-soldier.html?ref=politics

AUTOREN

Bernd Pickert

TAGS

Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Hillary Clinton
Donald Trump
US-Army
US-Soldaten
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Guantanamo
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Donald Trump
Donald Trump
USA

ARTIKEL ZUM THEMA

Registrierung von Muslimen in den USA: Der solidarische Akt

Die frühere US-Außenministerin Madeleine Albright wäre bereit, sich als Muslimin eintragen zu lassen. Sie ist nicht die Einzige.

15 Entlassungen in Guantanamo Bay: Gefangene reisen in die Emirate aus

61 Gefangene verbleiben auf Kuba. Will Barack Obama das Lager doch noch schließen, braucht es für einen Teil von ihnen Aufnahmeländer oder Haftorte in den USA.

Donald Trump und die US-Republikaner: Wie wechselt man den Kandidaten?

Die US-Konservativen wollen offenbar ihren Präsidentschaftskandidaten loswerden. Doch dafür gibt es kein Prozedere.

Republikaner kritisieren Donald Trump: Mundwinkel auf Talfahrt

Die Unterstützung für den Provokateur nimmt ab, selbst sein Vize geht auf Distanz. Eine Umfrage sieht Trump inzwischen 10 Prozentpunkte hinter Clinton.

Trump im US-Wahlkampf: Revanche gegen Ryan und McCain

Nachdem prominente Republikaner Trump lange ablehnten, gibt er das für deren Wahlkämpfe zurück. Obama greift mit harten Worten in den Wahlkampf ein.

Musliminnen protestieren gegen Trump: Können Sie uns jetzt hören?

Donald Trump hat die Mutter eines gefallenen US-Soldaten angegriffen. Im Netz tweeten jetzt tausende muslimische Frauen ihren Widerspruch.

Neuer Bestseller US-Verfassung: Ungewolltes Werbegesicht

Der Vater eines im Irak getöteten US-Soldaten, Khizr Khan, wirft Donald Trump vor, die Verfassung nicht zu kennen. Die verkauft sich daraufhin bombig.

Nach Auftritt auf Demokraten-Parteitag: Trump beschimpft Soldaten-Eltern

Äußerungen von Khizr Khan hatten die US-Demokraten bewegt. Nun beleidigte Präsidentschaftskandidat Trump die Eltern des gefallenen US-Soldaten.