taz.de -- Kleine Wortkunde „Clearnet“: Die biblische Einteilung des Internets
Das Clearnet soll der gute, helle Teil des WWW sein, so stellt sich die Bundesregierung das vor. Sein Gegenspieler: das Darknet, ein virtuelles Mordor.
Nach „Schlandnet“ und „Neuland“ gibt es einen neuen linguistischen Vorstoß der Bundesregierung, uns das Internet zu erklären: Da sich der Amokläufer von München eine Waffe im sogenannten Darknet besorgt hatte, sprach das Innenministerium auf der Bundespressekonferenz nun im Gegensatz dazu vom CLEARNET, also dem sauberen, für alle sichtbaren Internet.
Dazwischen befinden sich mit dem „Deep Web“ auch noch alle Webseiten, die nicht über Suchmaschinen zu finden sind. Damit ist die biblische Einteilung des Internets in eine Ober-, Unter- und Zwischenwelt komplett.
Während der Begriff „Darknet“ schon seit rund 15 Jahren existiert, kursiert der Terminus „Clearnet“ (klares Netz) erst seit rund einem Jahr: „Clear“ (klar, rein) geht auf das lateinische „clarus“ (klar, hell) zurück, „Net“ (Netz) hat seinen Ursprung im indoeuropäischen „ned“ (etwas drehen, knoten).
Das Internet ist furchtbar komplex, und wir alle wollen es gern vereinfachen. Am schönsten wäre, wenn Diercke endlich den ersten Internetatlas druckt. Dann könnten wir einfach nachschlagen, wo alle bösen und guten Territorien (und eventuelle Seeungeheuer) liegen. Alles fein säuberlich eingezeichnet.
Es wird der Realität jedoch nicht gerecht, das Darknet zum virtuellen Mordor zu erklären, während es im Auenland des Clearnets ganz beschaulich zugeht, denn es gibt nicht „das“ Darknet. Darknets sind anonymisierte und kryptografisch verschlüsselte Netzwerke wie das Tor-Netzwerk, die zwar auch von Kriminellen missbraucht werden, aber nicht zuletzt Dissidenten und Whistleblowern Schutz bieten. Und dass es im Clearnet auch nicht immer legal zugeht, sollte ebenfalls klar sein.
28 Jul 2016
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