taz.de -- Flüchtlinge in Griechenland: „Die Camps füllen sich wieder“
Mütter mit Kleinkindern müssen im Freien schlafen, in einigen Lagern gibt es nicht genug Trinkwasser. Und Asylverfahren dauern eine Ewigkeit.
Berlin taz | „Es sind die gleichen Bilder wie vor einem Jahr“, sagt Imad Amoun, Sprecher der Kinderhilfsorganisation Safe the Children in Griechenland. Ewig lange Schlangen bilden sich vor den Essenausgaben der Camps, Menschen müssen im Freien schlafen, weil die Kapazitäten nicht genügen. Auch sanitäre Einrichtungen reichen für die zusammengepferchten Menschen nicht aus.
Täglich werde das Wasser für ein paar Stunden abgestellt, berichtet Amoun. Die Flüchtlinge und Migranten müssen das bei über 30 Grad hinnehmen. Durch die schlechten hygienischen Bedingungen bestehen gesundheitliche Risiken.
Nun schlägt Save the Children Alarm und warnt vor dramatischen Zuständen. „Von den etwa 11.000 Flüchtlingen auf den Inseln sind etwa 3.800 Kinder“, so Amoun. Mütter mit kleinen Kindern müssen im Freien schlafen, in einigen der Lager gebe es nicht einmal ausreichend Trinkwasser. Die Aufnahmekapazität der völlig überfüllten ostägäischen Inseln liegt bei 8.000 Flüchtlingen und Migranten.
Nachdem das EU-Türkei-Abkommen Mitte März in Kraft trat – illegal eingereiste Flüchtlinge können in die Türkei abgeschoben werden und für jeden illegal eingereisten zurückgeführten Syrer nehmen die EU-Staaten einen syrischen Flüchtling aus der Türkei auf –, kommen deutlich weniger Flüchtlinge auf den Inseln an. Die Kapazitäten wurden daraufhin gedrosselt. Hilfsorganisationen und zahlreiche HelferInnen verließen die Inseln. Nun hat sich die Zahl der Flüchtlinge laut der UN-Hilfsorganisation UNHCR wieder mehr als verdoppelt: Im Juli kamen rund 560 Flüchtlinge an, im August sogar 1.367 Menschen. Die griechische Küstenwache erklärt das mit den guten Wetterbedingungen.
Die Kinderrechtsorganisation appellierte nun an Brüssel, Griechenland mehr Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen. „Außerdem ist die Bearbeitung der Asylprüfungsverfahren viel zu langsam“, so Amoun. „Die Camps füllen sich und die Menschen kommen nicht weiter.“
Angst vor Abschiebung
Amoun berichtet von einer Frau aus dem Irak. Sie lebe seit Anfang April im Camp Moria auf Lesbos, habe gleich einen Asylantrag gestellt. Erst im Dezember wird der Gesprächstermin mit den PrüferInnen stattfinden, der mit darüber entscheidet, ob sie in der EU bleiben kann oder abgeschoben wird. Bis dahin muss die Frau wie viele andere Menschen aushalten.
„Alle haben Angst vor einer Abschiebung“, sagt Amoun. Besonders nach dem sogenannten Putschversuch haben die Menschen Angst vor der Rückführung in die Türkei, die die EU immer noch als sicheres Herkunftsland einstuft. Selbst die Asylrichter waren in den Wochen nach dem Putschversuch zögerlich. Am Mittwoch wurden nun das erste Mal nach dem Putschversuch acht syrische Flüchtlinge abgeschoben – alle freiwillig, wie die Behörden betonen. Die Männer seien an Bord eines Flugzeugs von Lesbos nach Adana in die Türkei gebracht worden.
Seitdem das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei geschlossen wurde, sind nach griechischen Polizeiangaben insgesamt 476 Menschen zurückgeschickt worden. Fast 15 Mal so viele Menschen sind seitdem in Griechenland angekommen. Durch das angespannte Verhältnis zwischen der EU und der Türkei ist das getroffene Flüchtlingsabkommen nun nicht mehr gewährleistet. Sollte das Abkommen von der Türkei aufgekündigt werden, erwartet Griechenland einen Zulauf, den das Land angesichts mangelnder Kapazitäten auf Dauer nicht tragen kann.
21 Aug 2016
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