taz.de -- Kommentar besetzte Schule in Kreuzberg: Grüne Wahlkampfsymbolik

Der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg will die Geflüchteten erneut aus der ehemaligen Schule klagen. Gleichzeitig beginnt der Wahlkampf.
Bild: Das Interesse, die verbliebenen Bewohner endlich aus dem Haus zu kriegen, ist groß

Nun also doch: Der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg unternimmt einen neuen Anlauf. Mehr als zwei Jahre nachdem sich die FlüchtlingsaktivistInnen mit einer dramatischen Dachbesetzung erfolgreich gegen eine Räumung gewehrt hatten, hat das Bezirksamt jetzt eine Räumungsklage gegen die verbliebenen 24 Bewohner der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule eingereicht.

Eine Einigung sei unmöglich, argumentiert der Bezirk. Unklar bleibt, woran diese scheitert: Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) sagt, die Besetzer beharrten weiter auf ihrer Forderung nach Bleiberecht. Das wird stimmen, hat aber mit dem Konflikt um die Hauptmann-Schule wenig zu tun.

Denn weil die Einsicht, dass der Kampf um Bleiberecht nicht auf Bezirksebene zu gewinnen ist, längst angekommen ist, hat das Gebäude für die zum großen Teil papierlosen BewohnerInnen schon lange nicht mehr die Bedeutung eines politischen Pfands. Sondern schlicht die eines eigenen Raums – nach der Räumung des Oranienplatzes im Frühling 2014 der einzig verbliebene in der Stadt.

Deswegen auch die Idee der Besetzer, dort ein selbst verwaltetes Flüchtlingszentrum einzurichten. Doch dafür fehlen Geld und Träger – ob sich daran so bald etwas ändert, ist tatsächlich ungewiss. Denn der Unterstützerkreis für die Bewohner ist analog zur öffentlichen Aufmerksamkeit mittlerweile auf ein Minimum geschrumpft.

Trotzdem ist die Aussage, die Klage sei alternativlos, mit Vorsicht zu genießen. Denn klar ist auch: Das Interesse, die verbliebenen Bewohner endlich aus dem Haus zu kriegen, ist groß. Allein für den 2014 installierten Wachschutz zahlte der Bezirk bereits mehr als 2,2 Millionen Euro. Und symbolisch steht die besetzte Hauptmann-Schule für ein politisches Desaster, das die Grünen fast die Bezirksregierung gekostet hätte.

Dass die Ankündigung, diesen Zustand beenden zu wollen, genau zu Beginn der Hochphase des Berliner Wahlkampfs kommt, ist sicher kein Zufall.

4 Aug 2016

AUTOREN

Malene Gürgen

TAGS

Schwerpunkt Flucht
Besetzung
Gerhart-Hauptmann-Schule
Zwangsräumung
Wahlkampf
Gerhart-Hauptmann-Schule
Gerhart-Hauptmann-Schule
Turnhallen
Gerhart-Hauptmann-Schule
Gerhart-Hauptmann-Schule
Flüchtlingscamp Oranienplatz
Gerhart-Hauptmann-Schule
Gerhart-Hauptmann-Schule

ARTIKEL ZUM THEMA

Unterbringung von Flüchtlingen: Neues Kreuzberger Modell

Seit Monaten steht in einer ehemaligen Schule eine fertige Flüchtlingsunterkunft leer. Nun bietet der Bezirk dem Land das Gebäude sogar mietfrei an.

Von Flüchtlingen besetzte Schule in Berlin: Bezirk klagt gegen die Bewohner

Friedrichshain-Kreuzberg will die Geflüchteten aus der ehemaligen Schule klagen. Die Verhandlungen seien gescheitert, sagt die Bezirksbürgermeisterin.

Unterbringung von Flüchtlingen: Aus der Turnhalle ins „Tempohome“

Der Zeitplan für den Leerzug der als Notunterkünfte genutzten Turnhallen steht – aber noch nicht jede Unterkunft, in die die Flüchtlinge einziehen sollen.

Baupläne für besetzte Schule in Berlin: Echter Kreuzberger Mikrokosmos

Trotz Quotierung für alles Mögliche stoßen die Pläne für das Wohnprojekt in der Hauptmann-Schule auf Kritik. Eine Bürgerbeteiligung wird nachgeholt.

Besetzte Flüchtlings-Schule in Kreuzberg: Von der Sehnsucht, gehört zu werden

Kurz bevor Flüchtlinge in einem anderen Flügel der Hauptsmann-Schule einziehen, appellieren die verbliebenen Besetzer an den Bezirk, mit ihnen zu reden.

Gerhart-Hauptmann-Schule: Dieses Haus soll noch bunter werden

In der einstmals besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule tut sich was: Ende Januar öffnet dort eine neue Flüchtlingsunterkunft.

Flüchtlinge in Kreuzberger Schule: „Wir werden sie bitten zu gehen“

Friedrichshain-Kreuzberg will weiter juristisch gegen die Bewohner der Hauptmann-Schule vorgehen, sagt Bürgermeisterin Herrmann. Geld spiele keine Rolle.

Flüchtlings-Schule in Kreuzberg: Bezirk darf nicht räumen

Erneut scheitert der Bezirk Friedrichhain-Kreuzberg vor Gericht mit dem Versuch, die besetzte Hauptmann-Schule räumen zu lassen.

Flüchtlinge: Notunterkunft versus Refugee Center

Der Bezirk will in der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg eine Notunterkunft einrichten.