taz.de -- Kolumne Macht: Er wird gewinnen – leider
Clinton kann nicht mehr überraschen, Trump dagegen ist ein Faszinosum. Deshalb wird er – so kein Wunder mehr geschieht – nächster US-Präsident.
Manchmal möchte ich nicht meiner Meinung sein. Wenn es um die bevorstehende US-Präsidentschaftswahl geht, zum Beispiel. Ich bin überzeugt: Donald Trump wird diese Wahl gewinnen. Wenn kein Wunder geschieht, dann zieht er ins Weiße Haus ein.
So. Jetzt habe ich das hingeschrieben – zum ersten Mal. Das ist mir nicht leichtgefallen, ich habe nach allen möglichen Umschreibungen für diese bittere Aussage gesucht. Als ich meine Ansicht zum ersten Mal mündlich artikuliert habe – Anfang Mai, nach einer mehrwöchigen Reportagereise durch die USA –, da habe ich minutenlang versucht, mich um eine klare Aussage zu drücken. Als ließe sich der Schrecken dadurch bannen, dass man ihn nicht benennt.
Was ja aber bekanntlich nicht funktioniert. Nichts wird besser, wenn man sich eine Hand vor die Augen hält. Also, noch einmal: Ich denke, der nächste Präsident der Vereinigten Staaten wird Donald Trump heißen. Und zwar nicht, weil „die Amis“ alle doof sind, sondern weil einige Faktoren des politischen Geschäfts leider für ihn sprechen.
Schon allein die Tatsache, dass er in diesem Geschäft eben noch nicht so lange dabei ist. Sowohl die Republikaner als auch die Demokraten dürften in den letzten Monaten versucht haben, ihre Giftschränke zu füllen, um in der heißen Phase des Wahlkampfs das gegnerische Lager durch Enthüllungen zu schwächen. Aber solche Angriffe lassen sich leichter gegen jemanden führen, der oder die – wie Hillary Clinton – seit Jahren um Mehrheiten gekämpft hat und deshalb ganz sicher auch gelegentlich Versprechungen gemacht oder Worte gewählt hat, die prinzipienfesten Liberalen missfallen.
Keine politischen Skandale
Ein Baulöwe ist in dieser Hinsicht unverdächtig. Mag sein, dass Trump krumme Dinger gedreht hat. Um das im Wahlkampf jedoch zu benutzen, müsste man es beweisen können. So einfach dürfte das nicht sein, sonst wäre schon die Staatsanwaltschaft aktiv geworden. Ganz unabhängig vom Kampf ums Weiße Haus. Und vielleicht hat er ja nicht einmal krumme Dinger gedreht.
In politischer Hinsicht wird man bei Donald Trump auf der Suche nach Skandalen hingegen wohl nicht fündig werden. Wie soll man einen Mann entlarven, der nüchtern Dinge öffentlich sagt, die andere Leute nicht einmal betrunken denken, der auch noch stolz darauf ist – und den trotzdem etwa die Hälfte des Wahlvolkes ganz prima findet?
Hinzu kommt, dass Hillary Clinton keine Überraschungen mehr bieten kann. Alle kennen sie in jeder Facette ihrer Persönlichkeit, alle kennen ihre Ansichten, und zwar gefühlt schon immer. Wie soll sie neue Wählerschichten erobern? Selbst ihre glühendsten Anhänger sind nicht mehr neugierig auf sie. Und jener – große – Teil des liberalen Lagers, der sie nur zähneknirschend wählt, wird zwar das Kreuz hinter ihren Namen setzen, aber wohl kaum versuchen, Unentschiedene auf ihre Seite zu ziehen. Eher dürfte es vielen Leuten peinlich sei, zuzugeben, dass sie für die Vertreterin des „Establishments“ stimmen wollen.
Das ist das Pfund, mit dem Donald Trump wuchern kann. Die Verachtung gegenüber „der“ Politik und „den“ etablierten Politikern. Keine Verachtung, bitte: In dieser Hinsicht nehmen sich Europa und die USA derzeit wenig.
Nein, ich kann nicht erkennen, wie es Hillary Clinton gelingen könnte, mit alten Methoden gegen das Faszinosum des Mannes anzukommen, der für jedes komplexe Problem eine schlichte Lösung hat. Aber vielleicht irre ich mich ja. Hoffentlich irre ich mich. Was mir Mut gibt: Bernd Pickert, langjähriger Amerikaredakteur der taz, hat gegen meine Prognose gewettet. Niemals zuvor habe ich eine Wette so gerne verlieren wollen.
31 Jul 2016
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