taz.de -- Flüchtlinge in Dänemark: UNO kritisiert verschärftes Asylrecht

Die Regierung lehnt eine Abschaffung der Vorschriften ab – sie dienten dem Schutz. Internationale Normen sollen weiter aufgeweicht werden.
Bild: Will die Spielregeln ändern: Dänemarks Regierungschef Lars Lokke Rasmussen

Stockholm taz | Das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen hat in einem am Freitag veröffentlichten Bericht Teile der Asylrechtsverschärfungen, die Dänemark in den letzten Monaten erlassen hat, scharf kritisiert. Darunter das „Schmuckgesetz“, das der Polizei erlaubt, Flüchtlingen Geld und Wertgegenstände von umgerechnet mehr als 1.350 Euro wegzunehmen, um damit deren Unterbringungskosten mit zu finanzieren. Das umstrittene Gesetz war Ende Juni erstmals angewendet worden.

Das Komitee fordert Kopenhagen auf, dieses Gesetz umgehend wieder abzuschaffen. Das ist nur einer von 21 Kritikpunkten, angesichts derer sich dieses Gremium „besorgt“ zeigt, die Rechte von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Dänemark könnten nicht ausreichend geschützt sein.

Kritisiert wird auch die zeitliche Erschwernis von Familienzusammenführungen und mangelnder Rechtsschutz wegen der Möglichkeit der Inhaftierung Asylsuchender ohne Gerichtsbeschluss und der Durchführung von Abschiebungen trotz drohender Gefahr von Verfolgung und Folter.

Im Prinzip bestätigt das Komitee damit Warnungen, die von Flüchtlingshilfe- und Menschenrechtsorganisationen schon bei Erlass dieser Gesetzesvorschriften geäußert wurden: Dänemark verstoße gegen internationales Recht.

Lediglich Empfehlungen

Doch das Komitee kann nur „Empfehlungen“ geben. In einer ersten Reaktion kündigte Marcus Knuth, migrationspolitischer Sprecher der regierenden rechtsliberalen Venstre, an, man werde diesen nicht folgen: „Die Beschränkungen dienen dem Schutz Dänemarks.“

Die Kritik der Vereinten Nationen kommt zu einem Zeitpunkt, an dem in Kopenhagen die Geltung internationales Rechts, wie der UN-Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zunehmend infrage gestellt wird.

Die zunächst von der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei (DF) gestartete Kampagne, diese Konventionen hinderten Dänemark daran eine „effektive Ausländerpolitik“ zu führen, findet mittlerweile ein positives Echo auf dem gesamten rechten Parteiflügel bis hin zu Teilen der Sozialdemokraten.

Konventionsvorschriften könnten nicht ewig gelten, meint der DF-Europaparlamentarier Morten Messerschmidt: Man könne nicht durch die EMRK „die Demokratie außer Kraft setzen lassen“. Er forderte, Dänemark solle sich an die Spitze einer „Reformdebatte“ stellen, wenn es 2017 den Vorsitz im Ministerrat des Europarats übernimmt.

Auch Premier Lars Løkke Rasmussen sprach von der Notwendigkeit, die „Spielregeln zu ändern“, also bestimmte Konventionsvorschriften zu „modernisieren“ oder anders auszulegen. In Kopenhagen hofft man dabei auch auf Unterstützung aus London. Premierministerin Theresa May hatte als Innenministerin im Frühjahr die weitere Geltung der EMRK für Großbritannien zur Disposition gestellt.

17 Jul 2016

AUTOREN

Reinhard Wolff

TAGS

Asyl
Dänemark
Lars Lökke Rasmussen
Uno
Flüchtlinge
Subsidiärer Schutz
Dänemark
Asylrecht
Flüchtlinge
Finnland
Schweden
Dänemark

ARTIKEL ZUM THEMA

Für das Recht auf den Flüchtlingsstatus: Syrer ziehen vor Gericht

Im Norden berichten die Verwaltungsgerichte von einer Klagewelle: Syrische Geflüchtete fordern die Anerkennung nach der Genfer Flüchtlingskonvention.

Neue Gesetze in Dänemark: Grenzen dicht, Bettler in den Knast

Hart, härter, Dänemark: Die Regierung will das Asyl- und Ausländerrecht einschränken. „Unsicherheit auslösende Bettelei“ soll sofort geahndet werden.

Neue Verfassungsrichterin: Asylexpertise für Karlsruhe

Mit der Göttinger Rechtsprofessorin Christine Langenfeld ist eine Asylexpertin neue Verfassungsrichterin in Karlsruhe. Was heißt das?

Immer mehr Abschiebungen im Norden: Alles andere als „freiwillige“ Ausreisen

Die meisten Bundesländer schieben 2016 doppelt so viele Menschen wie im Vorjahr ab. Das liegt an verschärften Gesetzen.

Flüchtlinge in Finnland: Humanitäres Bleiberecht am Ende

Die Ausländergesetze werden drastisch verschärft. Afghanistan, Somalia und Irak gelten ab sofort als sichere Herkunftsländer.

Wind- und Solarenergie in Dänemark: Dänen stoppen Energiewende

Die dänische Regierung will den Ausbau von Wind- und Solarenergie bremsen. Sie nimmt mehr Kohlestrom in Kauf, um die „Wirtschaft zu entlasten“.

Flüchtlinge in Skandinavien: Fluchtweg Ostsee

Beim Versuch, von Dänemark nach Schweden zu gelangen, kentert ein Floß mit vier Asylsuchenden. Derartige Fälle könnten sich häufen.

Kommentar Dänemarks Asylpolitik: Eheringe zur Abschreckung

Der dänischen Regierung geht es nicht um Geld oder Schmuck, sondern allein um Abwehr. Darin ist sie ein Vorbild für andere Regierungen.