taz.de -- Krieg im Südsudan: Frieden ist nur ein Traum

Bei erneuten Kämpfen im Südsudan sterben mindestens 300 Menschen. Schuld sind ethnische Konflikte und der Machtkampf des Stabchefs Paul Malong.
Bild: Der Frieden ist vorbei: Präsident Salva Kiir mit Rebellen-Anführer Riek Machar

Nairobi taz | Wer war der Anstifter der jüngsten Kämpfe in Südsudan seit Freitag, durch die das Land wieder zurück in den Krieg geraten? Das fragt sich die südsudanesische Bevölkerung ebenso wie die internationale Gemeinschaft. Präsident Salva Kiir und Vizepräsident Riek Machar hatten im April eine Übergangsregierung formiert – nach einem wackligen Friedensabkommen vor knapp einem Jahr, das den Bürgerkrieg nach der Abtrennung von Sudan vor genau fünf Jahren beenden sollte.

Warum sich Kiir und Machar streiten, weiß man: Kiir will Präsident bleiben, Machar aber hat große Ambitionen. Kiir und Machar sind Repräsentanten der beiden größten Ethnien des Landes, der Dinka und der Nuer, die schon lange Rivalität kennen. Im Dezember 2013, als der Krieg begann, wurde der Machtkampf auch zum ethnischen Konflikt.

Aber in den derzeitigen gewalttätigen Tagen taucht immer öfter ein dritter Name auf: Paul Malong, Stabschef der südsudanesischen Armee und noch mehr als Kiir ein Dinka-Extremist, der nach der Dominanz seiner Ethnie strebt. Malong wird als die wirkliche Macht hinter Kiirs Thron gesehen.

In der Hauptstadt Juba hatte es schon einige Tage Spannungen gegeben, weil es zu Auseinandersetzungen zwischen Kämpfern von Machar und Militärs von Kiirs Armee kam. Als Machar als Teil des Friedensabkommens zurückkehrte, durfte er nur etwa 2.000 Kämpfer nach Juba mitnehmen. Die meisten der etwas mehr als 10.000 Soldaten der Armee wurden 25 Kilometer außerhalb der Stadt stationiert. Eine riskante Situation für Machars Truppen.

Großer Abwesender Malong

Als die Spannungen in der Hauptstadt wuchsen, kamen Kiir und Machar im Präsidentenpalast zusammen, um über die Lage zu diskutieren. Großer Abwesender war Malong – obwohl er als Stabschef hätte dabei sein sollen.

Malong macht kein Geheimnis daraus, dass er von dem Friedensabkommen nicht viel hält: Kiir habe zu sehr nachgegeben. Der Stabschef scheint davon überzeugt zu sein, dass Südsudan den Dinka gehört und sie darum auch Behörden, Politik und Armee dominieren sollen. Dabei hält er wiederum Dinka aus Bahr el Ghazal, wo er und Kiir herkommen, für besser als Dinka aus dem Rest des Landes.

Die Übergangsregierung, auch aus anderen Ethnien zusammengestellt, gefällt dem Stabschef nicht. Und schon gar nicht der Vorschlag, aus den Militärs und Machars Kämpfern eine Armee zu machen. Vor 2013 machten Nuer den größten Teil der Streitkräfte aus. Aber seit Kriegsbeginn ist es eine Armee, die überwiegend aus Dinka besteht.

Südsudanesen spekulieren nun, dass Malong Kiir und Machar gegeneinander ausspielen will, um selbst Präsident zu werden. Er ist ein rücksichtsloser Mann, der für die Massaker unter Nuer in Juba verantwortlich gemacht wird, als 2013 der Krieg begann.

Noch immer ist nicht klar, wer genau zum Krieg anstiftete. Obwohl damals wie heute Malongs Name häufig auftauchte, liegt vieles im Dunkeln. Aber wie vor drei Jahren sind auch jetzt die Kämpfe nicht spontan ausgebrochen. Damals wie heute muss es einen zugrunde liegenden Plan gegeben haben. Sicher ist: Der Friedensplan ist im Eimer. Nach mehr als 300 Toten, neuem Hass und Misstrauen ist Frieden vorläufig nur ein Traum.

11 Jul 2016

AUTOREN

Ilona Eveleens

TAGS

Südsudan
Krieg
Ostafrika
Friedensabkommen
Südsudan
UNMISS
Südsudan
Südsudan
Südsudan
Südsudan
Südsudan
Südsudan

ARTIKEL ZUM THEMA

Waffenschmuggel nach Südsudan: Der Todeshändler von Ibiza

Ein polnischer Millionär ist in Spanien festgenommen worden. Er soll große Mengen an Waffen nach Südsudan geschafft haben.

Friedensmission im Südsudan: UNO vermisst deutsche Polizisten

Die Vereinten Nationen sind sauer. Sie werfen der Bundesregierung vor, fünf Beamte aus dem Südsudan evakuiert zu haben – ohne Absprache.

Machtkampf im Südsudan: Eine schwierige Heimat

Fünf Jahre nach der Unabhängigkeit wird im Südsudan wieder gekämpft. Die einen fliehen, die anderen bleiben. Gibt es noch Hoffnung?

Evakuierung aus dem Südsudan: Uganda schickt Truppen

Um die eigenen Bürger aus dem Südsudan zu evakuieren, hat Uganda Truppen ins Nachbarland gesendet. Bisher wurden bereits 300 Menschen getötet.

Machtkämpfe im Südsudan: Bundeswehr fliegt Deutsche aus

Die Evakuierung von Bundesbürgern aus dem Südsudan ist angelaufen. Mit Transall-Maschinen werden die Deutschen ins Nachbarland Uganda gebracht.

Kommentar Gewaltausbruch im Südsudan: Es geht schlicht um Macht

Bisher haben Südsudans Machthaber mehr für sich selbst als für die Zukunft ihres Landes getan. Sie sollten kooperieren. Oder in Pension gehen.

Unabhängigkeitstag im Südsudan: UNO nennt Attacken Kriegsverbrechen

Das sechste Jahr der Unabhängigkeit Südsudans beginnt mit Chaos und Gewalt. Der UN-Sicherheitsrat verlangt ein sofortiges Ende des Blutvergießens.

Machtkampf im Südsudan: Schüsse am Unabhängigkeitstag

Ein Jahr nach dem Friedensvertrag droht dem Südsudan erneut ein Bürgerkrieg. Die Kämpfe begannen, als sich Vizepräsident Machar mit Präsident Kiir traf.