taz.de -- EMtaz: Das Phänomen Starfußballer: Uns Zlatan
Er pöbelt notorisch, ist unverblümt egoistisch und in geradezu epischer Weise überheblich. Warum verehren wir Zlatan Ibrahimović?
Schiedsrichter machen große Gesten. Immer. Wenn sie einen Spieler zu sich winken, würden sie nie nur den Zeigefinger dafür nutzen, nein, Schiedsrichter benutzen den ganzen Arm: Ausstrecken, in der Armbeuge zackig einknicken, noch zackiger mit dem Ellbogen nach hinten fahren und gleichzeitig alle Finger bis auf den Daumen einrollen. So als wolle man unter vollem Einsatz des Bizeps sein Gegenüber zu sich heranziehen.
Genauso will es auch Schiedsrichter Philippe Kalt halten, als Paris St. Germain im Januar 2015 gegen Stade Rennes spielt. Zlatan Ibrahimović soll sich seinen (wohlverdienten) Anschiss abholen. Doch Ibrahimović kommt nicht. Er bleibt einfach stehen. Er spielt das Spiel nicht mit. Und Schiri Kalt? Der macht fast unwillkürlich mit jeder Armbewegung einen Schritt mehr auf den Stürmer zu, als würde nicht er den Schweden zu sich zitieren, sondern umgekehrt.
Ibrahimović sieht für diese Ignoranz kein Gelb. Und erntet dafür keinen öffentlichen Unmut. Nicht in Frankreich, wo sie Exzentriker gewöhnt sind, wo sie Ibrahimović sogar verziehen haben, dass er die Grande Nation als „Scheißland“ bezeichnet hatte. Und nicht in der Heimat, wo die Regel, dass alle gleich seien, fast Verfassungsrang hat, wo sogar, von König und Königin abgesehen, alle geduzt werden, selbst dort wird Zlatan verehrt. Jede Woche ist mindestens ein Zlatan-Cover im Zeitschriftenregal zu sehen.
Diese Verehrung ist eigentlich durch und durch ungerecht. Warum fliegen ihm, dem Neureichen, der diese ganze Gleichmacherei, dieses Jantelagen, schon immer verachtete, alle Herzen zu? Warum diesem Jungen mit bosnisch-kroatischen Eltern, der die Art, wie die Schweden miteinander reden, nur „schwedisches Süßholzgeraspel“ nennt? Warum ist gerade er im offiziellen Trailer, der vor jedem EM-Spiel läuft, der erste Spieler, der zu sehen ist? Warum ist Zlatan I. der Spieler, auf den sich alle einigen können?
„Der reinste Müll“
Weil er es niemandem recht gemacht hat. Damals nicht. Heute nicht. Er hat Prostituierte mit Eiern beworfen, Tischtennisschläger und viele Fahrräder geklaut, doch bevor es dazu kam, dass er auch Autos knackte, war er schon Fußballprofi. So steht es in seiner Biografie, allerdings erst in Kapitel zwei und drei. Denn der Beginn ist jemand anderem gewidmet: Pep Guardiola. „Eiskalt“, sei der, „ein Feigling“, der einen „Mourinho-Komplex“ habe und nur „gehobenes Geschwafel von Blut, Schweiß und Tränen“ rede. Kurzum: „Der reinste Müll.“
Es ist eigentlich egal, ob er es sich nicht zu einfach macht, sein Scheitern bei Barça allein auf Guardiola zu schieben; oder ob all die Kleingangstergeschichten aus seiner Biografie tatsächlich stimmen – es ist bemerkenswert genug, dass er so etwas überhaupt sagt.
Er ist damit der Anti-Götze, der mit seinen von anderen erdachten und wie gebotoxt wirkenden Facebook- und Instagram-Profilen allen zu gefallen versucht. Nur keinen potenziellen Werbepartner verschrecken.
Ibrahimović ist kein werbeoptimierter Durchschnittsprofi. Ihm wurde kein Image übergeholfen, er hat sich selbst eines kreiert. Und das zieht. Er macht Werbung für Volvo. In Spots zitiert er die schwedische Hymne: „Du thronst auf Erinnerungen großer, vergangener Tage; da dein Name geehrt durch die Welt flog. Ich weiß, dass du bist und du bleibst, was du warst.“
Nicht unwahrscheinlich, dass er bei diesen Worten nicht an Schweden gedacht hat.
22 Jun 2016
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