taz.de -- Mutmaßlicher Mörder von Jo Cox: Bizarrer Auftritt vor Gericht

Thomas M. antwortete auf die Frage nach seinem Namen: „Tod den Verrätern, Freiheit für Großbritannien“. Die Richterin ordnete eine psychiatrische Untersuchung an.
Bild: Zeichnung vom ersten Gerichtstermin des mutmaßlichen Mörders der Abgeordneten Jo Cox

London ap | Der mutmaßliche Mörder der britischen Abgeordneten Jo Cox hat sich bei seinem ersten Gerichtstermin bizarr verhalten. Auf die Frage nach seinem Namen sagte er am Samstag im Londoner Amtsgericht von Westminster: „Tod den Verrätern, Freiheit für Großbritannien.“ Keine Antwort gab der 52-jährige Thomas M. auf Fragen nach Wohnort und seinem Geburtsdatum. Richterin Emma Arbuthnote sagte, „angesichts des Namens, den er gerade genannt hat“ halte sie eine psychiatrische Untersuchung für angezeigt.

Die Ermordung der 41-jährigen Labourabgeordneten in ihrem Heimatbezirk Birstall am Donnerstag hat Großbritannien schockiert und die teilweise polemisch geführte politische Diskussion zum Brexit-Referendum am 23. Juni vorübergehend verstummen lassen. Cox trat für einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union und für syrische Flüchtlinge ein.

Ein Augenzeuge sagte nach dem Attentat, der Angreifer habe mehrmals „Britain First“ (deutsch: Großbritannien zuerst!) gerufen. Der Verdächtige soll Verbindungen zur US-Neonazi-Organisation National Alliance unterhalten und die ultrarechte Publikation „SA Patriot“ abonniert haben.

Neben Mord wird M. schwere Körperverletzung, der Besitz einer Waffe mit der Absicht der Begehung einer Straftat sowie Besitz einer Angriffswaffe vorgeworfen. Über sein Motiv haben sich Ermittler und Behörden bislang nicht öffentlich geäußert. Anti-Terror-Spezialisten wurden hinzugezogen, aber zunächst keine Beschuldigungen wegen terroristischer oder rechtsextremistischer Verbindungen erhoben.

Die nächste Anhörung wurde für Montag angesetzt. M. wurde für die Untersuchungshaft ins Gefängnis Belmarsh eingewiesen.

Er wurde festgenommen, nachdem Cox vor einem Treffen mit Bürgern in der Stadt Birstall niedergestochen und niedergeschossen worden war. Bürgersprechstunden und –diskussionen zu politischen Themen sind eine Tradition im britischen Parlamentarismus.

Die Ermittlungen kreisten um ein politisches Motiv oder psychische Probleme des Beschuldigten. Der Bruder von M. hat erklärt, dieser habe in der Vergangenheit psychische Probleme gehabt, sei aber nicht gewalttätig.

Jeremy Corbyn: „Angriff auf die Demokratie“

Die Bluttat hat Großbritannien schockiert, der Politikbetrieb ist zum Erliegen gekommen. Auch am Samstag sollte der Wahlkampf vor dem Referendum über Verbleib oder Ausstieg aus der EU ruhen. Labour-Chef Jeremy Corbyn sprach von einem „Angriff auf die Demokratie“. Premierminister David Cameron rief dazu auf, Hass und Intoleranz keinen Platz in der Politik einzuräumen. Cameron und Corbyn legten am Ort des Attentats gemeinsam Blumen für das Opfer nieder.

Im Wahlkampf vor dem Referendum ist hitzig über die Einwanderung und die Rolle Großbritanniens in der Welt und in Europa diskutiert worden. Die 41-jährige Cox hatte dabei darauf hingewiesen, welch großen Beitrag Zuwanderer in Großbritannien leisten. Außerdem setzte sie sich für syrische Flüchtlinge ein, deren Aufnahme in Großbritannien höchst umstritten ist.

Corbyn sagte, das Parlament werde seine Sitzungspause, die eigentlich bis zum Referendum hätte dauern sollen, unterbrechen und am Montag zu Ehren der Abgeordneten zu einer Sondersitzung zusammenkommen.

18 Jun 2016

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