taz.de -- Streit in der AfD Baden-Württemberg: Machtfrage für Meuthen
Am Anfang standen antisemitische Äußerungen. Der Umgang mit dem AfD-Kollegen Wolfgang Gedeon bringt Fraktionschef Meuthen in Bedrängnis.
Stuttgart taz | Jörg Meuthen hatte zu Beginn der Woche von einer „Nagelprobe“ gesprochen und damit seine Partei gemeint. Doch jetzt ist der [1][Ausschluss des Abgeordneten Wolfgang Gedeon] aus der AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag für den Fraktionsvorsitzenden Meuthen zur ganz persönlichen Machtfrage geworden. Gedeon soll nach dem Willen Meuthens wegen offenkundig antisemitischer Äußerungen, die er in seinen Büchern gemacht hat, aus der Landtagsfraktion der AfD ausgeschlossen werden.
Ob Meuthen dafür die notwendige Zweidrittelmehrheit seiner Fraktion erreicht ist jedoch unklar. Deswegen drohte Meuthen, der als liberales Aushängeschild seiner Partei gilt, am Donnerstag mit seinem Austritt aus der AfD-Fraktion, sollten ihm die Abgeordneten nicht folgen.
Entzündet hat sich die erste Krise an den Schriften des 69-jährigen Singener Abgeordneten Wolfgang Gedeon. In seinen zum Teil mehrbändigen Büchern beruft sich der pensionierte Arzt etwa auf das antisemitische Machwerk „Protokolle der Weisen von Zion“. Gedeon warnt darin vor „einer Versklavung der Menschheit im messianischen Reich der Juden“. Er beklagt, dass der Holocaust in Deutschland „ideologisiert und theologisiert“ werde, stellt eine „Judaeomanie als Reaktion auf den Antisemitismus der nationalsozialistischen Zeit“ fest.
Neonazis wie Horst Mahler und den Holocaust-Leugner Ernst Zündel bezeichnet Gedeon in seinen Schriften als „Dissidenten“ und sprach von „gewissen Schandtaten“ während der Nazidiktatur.
Meuthen will diese Schriften vorher nicht gekannt haben, obwohl sie auch auf Parteitagen der AfD auslagen. Erst nachdem auch die Presse vergangene Woche darauf gestoßen ist, will der Parteichef erkannt haben, wer da in seiner Fraktion sitzt und rief eine „Null Toleranz-Linie“ gegenüber Antisemitismus in der Fraktion aus.
Dabei ist Wolfgang Gedoen in der AfD kein Unbekannter. Der Kreisverbandsvorsitzende vom Bodensee ist Gründungsmitglied der Partei und auch Autor von parteiinternen Diskussionpapieren, für die sich der Landesvorsitzende Meuthen in der Vergangenheit durchaus auch persönlich bedankt hat. Andereseits hat Meuthen selbst bereits während des Landtagswahlkampfs nach Berichten der FAZ gesagt, wenn Gedeon ins Parlament komme, werde es „nicht vergnüglich“.
Im Fall Gedeon kann Meuthen jetzt nicht mehr zurück. Bereits am Dienstag erwirkte er einen einstimmigen Beschluss des Bundesvorstands, der sogar empfiehlt den umstrittenen Abgeordneten aus der Partei auszuschließen. Doch darüber muss am Ende das Landesschiedsgericht der AfD entscheiden in dem zum Beispiel Dubravko Mandic sitzt. Der Freiburger Rechtsanwalt hat den amerikanischen Präsidenten öffentlich einen „Quoten-Neger“ genannt. Ein Parteiauschlussverfahren gegen Mandic wegen dieses Ausfalls hatte damals Meuthen gestoppt.
Rauswurf nur mit Zweidrittelmehrheit
Dass Meuthen nun zur Rücktrittsdrohung greifen muss, zeigt wie wenig er sich auf seine Fraktion verlassen kann. Denn für den Rauswurf braucht es eine Zweidrittelmehrheit der AfD-Abgeordneten und Gedeon hat Fürsprecher in der Fraktion. Heinrich Fiechtner, Landtagsabgeordneter aus Stuttgart, der ebenfalls für verbale Entgleisungen bekannt ist, hatte ihn bereits diese Woche in Schutz genommen: Gedeons Aussagen seien nicht antisemitisch, erklärte Fiechtner.
Bei der Landtagsdebatte am Donnerstag hatten veschiedene AfD-Abgeordnete für ihren Fraktionskollegen Partei ergriffen. Auch Gedeon selbst, der statt Fraktionschef Meuthen die Debatte für seine Partei eröffnen durfte, verteidigte sich. Er sei weder Anitsemit, noch habe er den Holocaust verharmlost, den er für ein historisches Faktum halte.
So oder so. Bald wird die AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag mindestens um einen Abgeordneten kleiner sein. Am 21. Juni entscheiden die Abgeordneten, ob es der unberechenbare Abgeordnete Gedeon oder der vermeintlich liberale Fraktionschef Meuthen ist.
10 Jun 2016
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