taz.de -- Sensation im Botanischen Garten Berlin: Warten auf den Aasgeruch

Im Botanischen Garten in Berlin öffnet der Amorphophallus titanum seinen Kelch. Nicht nur Pflanzenliebhaber sind von Vorfreude erfüllt.
Bild: So sieht es aus, wenn der Titanenwurz erblüht. Hier 2012 im Botanischen Garten in Kiel.

Titanenwurz ist eine schamvolle Umschreibung für das, was da im Botanischen Garten wächst. Der wissenschaftliche Begriff Amorphophallus titanum trifft es besser. Aus einen Hochblatt, das aussieht wie ein eingewickelter Faltenrock, schiebt sich ein riesiger lindgrüner Kolben in die Höhe. Staunend steht man vor der größten Blume der Welt. Wenn der Kelch aufgeht, ist das eine kleine Sensation. Wer dabei sein möchte, muss schnell sein. Das Spektakel dauert nur drei Tage.

Vielleicht passiert es heute, vielleicht morgen. Länger als bis zum Wochenende wird es aber kaum noch dauern, glaubt Biologin Gesche Hohlstein. 1,10 Meter misst die Pflanze vom Boden bis zur Spitze. Der Kelch wird ähnliche Ausmaße haben, wenn er sich öffnet. Die Innenseite ist blutrot. Am Fuß des Kolbens sitzen Hunderte kleiner Blüten, die einen bestialischen Aasgestank verströmen. Der Geruch ist dazu da, Insekten für die Bestäubung anzulocken. „Vor allem am ersten Tag legt sie ordentlich Parfüm auf“, so Gesche.

Dreimal schon – 2009, 2011 und 2015 – hat die Biologin im Botanischen Garten erlebt, dass sich eine Titanenwurz öffnete. Jeden Millimeter Wachstum hat sie dokumentiert, mehrmals täglich eilt sie nun in die Begonienhalle, wo der Amorphophallus titanum und die etwas anders aussehende Schwester Amorphophallus Konjac zwischen Schiefblattgewächsen stehen.

An der Pforte des Botanischen Gartens klingelt jetzt ständig das Telefon. Ob es schon so weit sei? 54 Erstklässler stürmen am Dienstag mit ihren Lehrerinnen lieber gleich das Gewächshaus. „Wo ist die Kackablume?“, schallt es. Schon an der Tür halten sich die Kleinen die Nase zu. Umso größer dann die Enttäuschung: „Stinkt ja gar nicht.“ Aber vielleicht heute?

7 Jun 2016

AUTOREN

Plutonia Plarre

TAGS

Biologie
Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie
Tierforschung
Schwerpunkt Glyphosat
Vogel des Jahres

ARTIKEL ZUM THEMA

Die Wahrheit: Der graue Neinsager

Biologie und Komik: Die lustige Tierwelt – heute mit einem professoralen Papagei – und ihre ernste Erforschung (7).

Enten als Pestizidersatz: Die Schädlingsbekämpfer

Ein Weingut in Südafrika kämpft mit Laufenten gegen Ungeziefer. Die Enten sollen Pestizide ersetzen, sind bisher aber nur ein zusätzliches Mittel.

Biotop in der Berliner Platte: Ersatznistplatz mit Blick aufs Adlon

Kein Gebäude darf in Berlin abgerissen werden, solange ein Vogel in dem Gemäuer nistet. Ein geplanter Luxusneubau in der Nähe des Nobelhotels Adlon muss deshalb warten.