taz.de -- Kommentar Gauland und Boateng: Ausweitung der Kampfzone
Die Beleidigungen müssen heftiger, die Bilder drastischer, die Feinde zahlreicher werden. Diesmal aber ist Gauland zu weit gegangen.
Alexander Gauland ist nicht nur der fähigste Kopf der AfD. Der Ex-CDU-Mann ist die Schlüsselfigur der Partei, weil er den rechtsradikalen Höcke-Flügel mit westdeutschen Bürgern verbindet, denen Gender-Mainstreaming und Multikulti zu anstrengend sind, die Rassismus aber unfein finden.
Gauland verkörpert geradezu den Mythos der Partei – dass man gleichzeitig honoriger Konservativer sein kann und daneben ein bisschen rechtsextrem. Der Aufstieg der AfD verdankt sich ja genau dieser Mixtur von Wohlanständigkeit und Hetze.
Die rhetorische Figur, die perfekt zu dem Doppelspiel der AfD passt, ist Provokation samt Dementi, stets vor staunend erregtem oder meist angewidertem Publikum. Auch der Fall Boateng, den Gauland zufolge [1][echte Deutsche nicht als Nachbarn ertragen wollen], scheint in dieses Muster zu passen: Erst die Tabuverletzung, dann Vorwürfe gegen die Medien, am Ende diffuses Gemurmel, [2][alles sei ein Missverständnis.]
Doch dieser Fall liegt anders. Dies ist keine geschickt inszenierte Grenzverletzung, sondern ein ziemliches Debakel für die AfD. Denn dieser Fall legt den bösartigen Kern der Rechtspopulisten frei – sichtbar nicht nur für Rassismusexperten, sondern auch für Begriffsstutzige.
Boateng, der am Sonntag Kapitän der deutschen Nationalelf war, ist für die Hassökonomie der Rechten das falsche Ziel. Kein Wunder, dass sich die Junge Freiheit, Zentralorgan der Rechtspopulisten, die Haare rauft, weil Boateng doch nun mal „fraglos Deutscher“ ist.
Wenn die AfD gegen Flüchtlinge und Moscheen zu Felde zieht, kann sie leider oft auf Sympathien hoffen. Doch Boateng zum unerwünschten Fremdling im biodeutschen Volkskörper zu erklären, dürfte auch für konservative Zeitgenossen als das erkennbar sein, was es ist: Rassismus.
Der Fall Boateng ist für die Rechtspopulisten ein Propaganda-GAU. Denn er erhellt schlaglichtartig die Logik der populistischen Rhetorik. Die Kampfzone muss ausgeweitet werden. Die Beleidigungen müssen heftiger, die Bilder drastischer, die Feinde zahlreicher werden. Gauland & Co zielen nicht mehr nur auf Migranten und Muslime, sie machen Stimmung gegen alles, was nicht ethnisch deutsch ist.
Das ist nicht mehr nur rechtspopulistisch. Die AfD ist unter Gaulands Führung auf dem Weg zur völkischen Partei. Und zur radikalen Sekte.
31 May 2016
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