taz.de -- Neues Album von Drake: Schmerzensmann für Turnschuhfans

Trübe Aussichten: Die Rap-Ikone bleibt auf „Views“ trotz gelungener musikalischer Momente allzu obsessiv in der Vergangenheit hängen.
Bild: Kleine Geschenke vom Star: Drake verteilt T-Shirts in einem Club in Toronto

Drake bricht mit Traditionen und Klischees von HipHop. Der Hypermaskulinität früherer Rap-Generationen setzt der empfindsame Kanadier ein neues Männerbild entgegen. Sein neues Album „Views“ erzählt von der Einsamkeit an der Spitze.

Über Prince schrieb der US-Autor Touré einmal, er sei deshalb Ikone, weil eine Ikone die Themen seiner Generation bereits ausspricht, bevor diese sie als ihre Themen erkennt. „I made a career out of reminiscing“, singt Drake und beschreibt damit auch die Vergangenheitsobsession von Mittzwanzigern bis Mittdreißigern. Sie vermissen ihre Jugend, obwohl sie sie dank Medienjob, Stadtwohnung und Turnschuhsammlung verlängert haben.

So wird Drake zu ihrem Sprachrohr, obwohl sein Leben für die Allermeisten höchstens in Träumen vorstellbar sind. Drake hat nicht nur eine Karriere auf Erinnerungen gebaut. Der ehemalige Kinderschauspielstar aus Toronto, den zu Beginn seiner Karriere keiner als Rapper ernst nehmen wollte, lud HipHop wieder mit Emotion auf und versah den Sound mit Melodien. Im einzigen Interview, das er zur Veröffentlichung von „Views“ gab, sagte Drake lakonisch, das Album klinge so, wie er sich gerade fühle.

Überall ist Verrat

Wenn das wahr ist, möchte man nicht in seiner Haut stecken: Drake klingt beinahe paranoid, überall wittert er Betrug und Verrat. Als Konsequenz seiner alten Maxime „No New Friends“ zieht er sich schon gleich beim Auftaktsong auf einen noch kleineren Kreis zurück: Die Familie, die er auf dem Weg zum Starruhm vernachlässigt habe.

Das Problem an Drakes viertem Album, wenn es auch eher ein Luxusproblem ist: Sein Sound ist inzwischen zum Markenzeichen geworden. Die ersten sieben Songs klingen wie eine durchgängige Suite, erst im zweiten Drittel des Albums werden die Rhythmen komplexer, die Arrangements leichtfüßiger. „One Dance“ verbindet Afropop, mit dem sein Feature-Gast Wizkid gerade Westafrika erobert, mit einem heruntergepitchten UK-Funky-Beat der Crazy Cousinz von 2008.

Auf dieser Technik, Klangelemente über Kontinente, Genres und Epochen hinweg zu sampeln, basieren die meisten Drake-Hits: Er huldigt jamaikanischer Musik, der Bounce-Subkultur von New Orleans und britischem Grime, nur um daraus sein eigenes Amalgam zu formen. „Views“ zementiert die Stellung von Drake nicht an der Spitze eines Genres, sondern als eigenes Genre.

16 May 2016

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Stephan Szillus

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