taz.de -- Krieg in Syrien: Verbale Attacken und reale Bomben
Die USA fordern Russland auf, Syrien von willkürlichen Angriffen auf Aleppo abzubringen. Russland kritisiert die US-Unterstützung für Rebellen.
Genf taz | Im Bemühen um die Wiederherstellung der weitgehend zusammengebrochenen Waffenruhe zwischen den syrischen Regierungsstreitkräften und diversen Oppositionsmilizen in Aleppo und anderen Regionen des Landes ist US-Außenminister John Kerry am Sonntag nach Genf gereist. Dort wollte er noch am gleichen Abend sowie am Montag Gespräche führen mit seinen beiden Amtskollegen aus Saudi-Arabien und Jordanien, Adel al-Dschubeir und Nasser Dschude, sowie mit dem Syrienvermittler der UNO, Staffan de Mistura.
Auf Drängen der USA und Russlands war in der Nacht zum Samstag zwar in der Rebellenhochburg Ost-Ghuta östlich von Damaskus sowie in der Küstenprovinz Latakia eine zunächst für 24-Stunden vereinbarte Feuerpause in Kraft getreten, die später auf 48 Stunden verlängert wurde.
In der Provinz Aleppo hielten die heftigen Kämpfe der letzten Woche jedoch unvermindert an. Insbesondere die Angriffe der syrischen Luftwaffe forderten zahlreiche Todesopfer und Verletzte. Am Samstag ergriffen dutzende Menschen die Flucht aus den von Rebellen gehaltenen Stadtvierteln, wie ein AFP-Korrespondent berichtete. Andere Bewohner verschanzten sich in ihren Häusern.
Kerry forderte Russland am Samstag auf, die syrische Regierung vor allem von den „willkürlichen Luftangriffen in Aleppo“ abzubringen. Russland hatte solchen Forderungen bereits zuvor eine Absage erteilt. „Wir werden keinen Druck ausüben, denn die Situation in Aleppo ist Teil des Kampfes gegen die terroristische Bedrohung“, erklärte Vizeaußenminister Gennadi Gatilow der Nachrichtenagentur Interfax.
Der russische Außenpolitiker Konstantin Kossatschjow erklärte, vor einer Waffenruhe im umkämpften Aleppo müsse der Westen in Syrien seine Unterstützung für bewaffnete Kräfte einstellen, die Präsident Baschar al-Assad stürzen wollen. „Dann wäre eine Feuerpause realistisch“, sagte der Chef des Auswärtigen Ausschusses des Föderationsrats.
Zwischen den USA, ihren westlichen Verbündeten , Saudi-Arabien und der Türkei einerseits sowie Russland, Iran und der syrischen Regierung andererseits blieb bei der Aushandlung des „Friedensplans“ für Syrien Ende letzten Jahres die Rolle der beiden militärisch stärksten islamistischen Oppositonsmilizen „Armee des Islam“ und „Islamische Bewegung der freien Männer der Levante“ umstritten.
Washington betrachtet die beiden Gruppen, die auch das syrische Oppositionsbündnis bei den Genfer Gesprächen anführen, als „legitimen Teil“ der Opposition. Für Moskau sind die beiden Gruppen wegen ihrer engen ideologischen und operativen Verbindungen zum syrischen Al-Qaida-Ableger Al-Nusra-Front hingegen „Terroristen“, die – genauso wie al-Nusra selbst und die Milizen des „Islamischen Staats“ – weiter militärisch bekämpft werden dürfen.
Nach eigener Darstell ung der Regierungen in Damaskus und Moskau richten sich die Angriffe ihrer Luftwaffen ausschließlich gegen diese vier „terroristischen Gruppen“. Tatsächlich sind aber auch Angriffe gegen andere Oppositionsgruppen und gegen unbeteiligte Zivilisten sowie Krankenhäuser und andere zivile Einrichtungen dokumentiert.
1 May 2016
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Teheran und Moskau rücken im Kampf gegen die Assad-Gegner enger zusammen. Russische Jets starteten von der iranischen Basis Hamadan in Richtung IS-Stellungen.
Spitzendiplomaten haben in Wien über das weitere Vorgehen im Kriegsland Syrien beraten. Große Fortschritte blieben aber aus.
Die syrische Armee verstößt mit Angriffen gegen das humanitäre Völkerrecht. Doch ein Verfahren gegen sie wird es wohl nicht geben.
Die vergangenen Tage waren die schlimmsten, die Aleppo im Krieg erlebt hat. Die Zahl der Angriffe auf Kliniken sei absurd hoch, so das Rote Kreuz.
Die Diplomatie zur Wiederherstellung der Waffenruhe in Syrien war bisher erfolglos. Die Nato-Minister wollen mehr gegen den IS unternehmen.
Am weltweiten Aktionstag #AleppoIsBurning wird auch in Berlin demonstriert. Zwischen Syrern und Polizei kommt es dabei zu Missverständnissen.
Für die Wiederherstellung der Waffenruhe in Syrien müssen sich die USA und Russland in einer zentralen Frage einigen. Aber das passiert nicht.
Ein Video von der Bombardierung eines Krankenhauses in der Region um Aleppo bringt das Grauen des Syrien-Krieges ins Bewusstsein.
Abermals gibt es Tote in der umkämpften Stadt. Die Lage in Damaskus entspannt sich derweil. US-Außenminister Kerry drängt auf die Einhaltung der Waffenruhe.
Die Angriffe in Aleppo stehen in direktem Zusammenhang mit dem Abbruch der Genfer Gespräche, sagt Muhannad Qaiconie.